Im Rahmen des vom BMBF geförderten Terrain-Projekts zur Unterstützung von Menschen mit Blindheit in Stadtgebieten, haben wir in einem Teilprojekt ein Fußgängerrouting auf Basis der OSM entwickelt. Aktuell geht es natürlich um die speziellen Bedürfnisse für Menschen mit Sehbehinderungen, in Zukunft könnten wir aber ganz unterschiedliche Personengruppen unterstützen.
Im Unterschied zu den aktuell öffentlich verfügbaren Lösungen (Apple, Google, OSRM, …) oder sehr ambitionierten und vorbildhaften Projekten wie AccessMap oder Namo verlangen und erfassen wir keine dedizierten Wege für Bürgersteige, um die Fußgänger sinnvollerweise auf den Straßenseiten zu routen und passende Kreuzungsmöglichkeiten vorzuschlagen. Gleichzeitig wollen wir alle möglichen Zusatz-Informationen nutzen, soweit sie flächendeckend vorhanden sind. Wir korrigieren oder ergänzen natürlich, wenn wir Probleme finden.
Ähnlich wie bei den Ansätzen von Schmitz/Ertl und später auch Nathanael Lang und Naumann/Kovalyov erzeugen wir intern ein erweitertes Netz. Jedoch wählen wir einen effizienten topologischen Ansatz, der uns ein transparentes Arbeiten auf Live-OSM-Daten ermöglicht.
Ich hatte unseren Ansatz im Mai 2018 auf der 18. Gulaschprogrammiernacht im Vortrag Nicht mitten auf der Straße! Oder was bringt uns die OSM für uns Fußgänger und Rollis? vorgestellt, und wir haben erste Ergebnisse auf der ICCHP18-Konferenz präsentiert. Das zugehörige Paper Robust and Incremental Pedestrian Path Network Generation on OpenStreetMap for Safe Route Finding ist leider Closed-Access, aber sobald wir vom BMBF den erforderlichen “Request for Self-Publication” erhalten, werden wir alle Pre-Prints mit Springer lizenzkonform auch auf der Seite des Projekts publizieren, und natürlich im Podcast und Blog noch mehr dazu erzählen.
Auf der Seite https://www.terrain-projekt.de/pedestrian-routing/ haben wir seit Mai ein Test-Interface für unseren Router online, das auf dem von der Geofabrik täglich zur Verfügung gestellten D-A-CH-Datensatz beruht.
Das Ganze ist ein früher Blick auf den Stand der Entwicklung, aber ich denke man sieht, dass der Ansatz im Live-Einsatz auf der OSM grundsätzlich sowohl in Bereichen mit robuster Datenlage bis hin zu den detailliertesten Gehweg-Mappings funktionieren kann. Die Bewertungen, wann welche Route bevorzugt wird, sind noch in einem sehr frühen Stadium und werden in Zukunft mit Mobilitätstrainern und betroffenen Personen abgeglichen. Genauso gibt es noch keine Auswahlmöglichkeit für unterschiedliche Profile. Auch ist das Routing bisher nur ein langsames A*-Verfahren und die Gehweg-Erzeugung kann hier und da noch zu verbessern sein. In Bereichen von hauptsächlich separat ausgeführten Gehwegen werden womöglich zusätzlich gepflegte Relations zur Zuordnung von Gehwegen zu ihren Straßen jetzt noch nicht ausgewertet, wodurch diese Gehwege in den Beschreibungen dann keinen Namen mehr haben.
Es stellt sich heraus, dass Straßen mit Sidewalk-Tags sehr große Vorteile haben, da sie ohne viel Aufwand eingesetzt werden können und daher uns das Bürgersteige-Netz robuster zur Verfügung stellen. In Fällen, wo der Bürgersteig aber entweder geometrisch von der gedachten Straßenseite abweicht oder es durch das Bündelproblem im Wegenetz zu geometrischen und topologischen Problemen kommt, erscheinen separate Footways eine Lösung. Wie hier im Forum auch häufig diskutiert, können separate Footways zu einer Vielzahl von Verbindungsproblemen führen, und das kann man dann im Routing auch schnell erkennen. Grundsätzlich sind alle zusätzlichen Informationen zur Ausstattung von Kreuzungen und Wegen natürlich immer sehr sinnvoll, aber nur wenn sie flächendeckend eingesetzt werden, können wir sie in einer so allgemeinen Lösung berücksichtigen.
Danke für eure tolle Arbeit hier, und ich hoffe wir können damit die großartige Abdeckung in der OSM für Fußgänger jetzt nutzbarer machen.