Das ist ziemlich durchwachsen.
Es gibt durchaus immer wieder positives Feedback von Leuten vor Ort, also ganz unnütz ist die Arbeit sicher nicht. Und es ist auch nicht so, dass hier Leute “verbraucht” werden, die anders besser helfen würden - wenn der HOT-Mapper nicht für HOT mappen würde, dann würde er vielleicht Gulildeckel in seinem Dorf in Deutschland mappen, oder sich in der Nase bohren ist nicht so, dass die Einsatzkräfte sich überlegen müssen, ob sie den Mapper doch lieber zur Erstversorgung der Verletzten einsetzen wollen oder so.
Es gibt auch kritische Stimmen zur Datenqualität - ich finde den Bericht gerade nicht, aber irgendwo haben Profis sich angeschaut, was die Remote-Mapper so produziert haben, und kamen zu dem Ergebnis: “Strassen gut, aber die Einschätzung, welche Häuser noch heil sind und welche kaputt, war in 70% der Fälle falsch” oder so. Dadurch, dass für die Teilnahme an sogenannten “Aktivierungen” in aller Regel, wie sonst bei OSM auch, weder Training noch Kontrolle erforderlich ist, wird halt schon auch viel geraten und geschätzt, und “gut gemeint ist nicht immer gut gemacht”. Manchmal denke ich schon - wenn durch sowas wie OSM jetzt die Arbeitsplätze für die echten Experten, die eine mehrjährige Ausbildung im Satelliten-Mapping bekommen, knapp werden, weil die Verwaltung sagt “wieso, OSM macht das ja kostenlos”, dann ist das vielleicht nicht nur positiv.
Für OSM selbst sind HOT-Einsätze sehr pressewirksam; wer lässt sich nicht gern als humanitären Helden feiern, und die Presse ist in der Regel immer noch heiss auf solche Erfolgsgeschichten. “Tausende Mapper weltweit helfen X”, macht immer eine gute Schlagzeile. Das kann allerdings auch manchmal nach hinten losgehen; in den USA, so habe ich oft den Eindruck, wird OSM von vielen in erster Linie mit Hilfsaktionen in Verbindung gebracht und ist erst in zweiter Linie ein cooles Projekt, mit dem sich Leute ihre eigenen Karten basteln können.
Das ist für mich persönlich der größte Nachteil an HOT - dass es OSM verzerrt darstellt. Das OSM, das ich kennen und schätzen gelernt habe, ist ein Projekt, bei dem Leute ihre “eigene” Karte selbst in die Hand nehmen und aus ihrem Wissen vor Ort in ihrer Freizeit eine unschlagbare Kartendatenbank aufbauen. Bei den HOT-Einsätzen sind es sehr oft nicht die Leute vor Ort, die selbst etwas machen, sondern wohlmeindene, aber ortsunkundige Helfer (die Einwohner sind ja von der Krise betroffen und die Helfer vor Ort haben meistens alles andere zu tun als JOSM zu starten). Und wenn mit Leuten vor Ort gearbeitet wird, dann sind das in aller Regel bezahlte Kräfte, die mitmachen, um ihre Familie zu ernähren, und nicht, wie im Rest der Welt, Hobbyisten, die aus freien Stücken etwas machen. Das kann man natürlich weder HOT noch den Betroffenen ankreiden, aber letztlich bedeutet das oft auch: Wenn das Geld verebbt, dann löst sich die vermeintliche “Community” vor Ort in Luft auf.
Das ist den Leuten bei HOT natürlich auch bewusst, und sie versuchen, mit Training auch lokale Organisationen mit ins Boot zu holen, aber tendenziell ist OSM für die Betroffenen halt nicht das coole Ding, mit dem sie ihre Karte selber in die Hand nehmen, sondern irgendwas, was die Helfer mitgebracht haben.
Also wie immer im Leben - es gibt gute und schlechte Seiten.
Bye
Frederik