landuse=retail vs landuse=residentail

In vielen Städten gibt es Gebiete in denen meist im Erdgeschoss Geschäfte sind und in den Obergeschossen gewohnt wird. Sollten solche Gebiete als landuse=residential oder als landuse=retail getaggt werden?

Beispiel in Tübingen

Das ist leider wohl eine immernoch ungeklärte Frage.

So wird in der englischen Wiki erstmal gesagt:

Bei dem Problem gehe ich aber noch einen Schritt weiter und sage: Ungeklärt ist auch, wie man mit der Mischnutzung von Geschäften, Büros und Wohnungen umgeht.
Hypothetisches Beispiel bei deinem Bild: Im EG ist das Ladengeschäft, im 1. OG ist eine Anwaltskanzlei, im 2. OG ein Büro eines Pflegedienstes und im 3. und 4. OG befinden sich Wohnungen.

Ich glaube, das ist einfach dem geschuldet, dass nicht festgelegt ist, wie genau wird “landuse” verwendet. Vgl. Land use and areas of natural land:

Also wahrscheinlich viel Diskussionsstoff…

Im Allgemeinen würde ich dazu tendieren, vorerst solche Flächen als residential zu taggen.
Insgesamt kann man aber überlegen, ob es vielleicht doch sindvoll z.B. landuse=“downtown” einzuführen, das genau solche Bereiche beschreibt…

Meine Tendenz geht eher zu retail, wenn in fast jedem Gebäude ein Geschäft ist.
Meist werden solche Straßen auch als Einkaufsstraßen bezeichnet.
Für einen Fremden ist es auch eher interessant, dass da Geschäfte sind, als dass da auch noch Leute wohnen.

Sehe ich kritisch, denn retail umfasst ja wirklich nur verkaufendes Gewerbe. Dienstleister fallen ja dann offiziell unter commercial. Noch größer: Z.B. viele Teile von Berlin würden dann ja nach deiner Auffassung “retail” werden, weil jede größere Straße von Geschäften gesäumt ist - wo sollen sie auch sonst hin.

Vor allem in Deutschland finde ich es relativ einfach zu sehen, welchen Landuse im städtischen Bereich man eigentlich hat. Es gibt die Baunutzungsverordnung, die die Flächennutzungstypen vorschreibt.
So würde tendenziell ein Gebiet, wie es hier umschrieben ist würde tendenziell in den 2017 geschaffenen Bereich “Urbanes Gebiet”, ein Subtyp des Mischgebietes fallen. Hier schreibt die BauNVO in §6a I:

Also vorrangig ist es Wohngebiet, wo andere Nutzung (v.a. im Erdgeschoss) gestattet ist. Im Beschluss des Bundesrates hieß es genau so damals: “Leitbild einer Stadt mit kurzen Wegen, Arbeitsplätzen vor Ort und einer guten sozialen Mischung”.

Vielleicht wäre also landuse=urban die richtige Wahl für ein neues Tag?

Ich finde auch für Mischgebiete braucht es eigentlich ein extra Tag. Ob urban da so gut passt weiß ich nicht. Mischgebiete gibt es ja auch in Kleinstädten oder sogar Dörfern.

Nach einem groben Abgleich würde ich sagen, dass etwa ja ein Drittel der M1 Mischgebiete in Berlin als residential, retail oder commercial gemappt sind. Die weniger dichten M2 Mischgebiete aber deutlich überwiegend als residential. Irgendwie passt das schon, die M2 Gebiete sollen auch gleichwertig zum Wohnen sein. Bei den M1 Gebieten spielt Wohnen nur eine untergeordnete Rolle.

Ein Beispiel ist aber in OSM auf jeden Fall falsch. Die Karl-Marx-Straße ist im FNP als M1 mit Einzelhandelskonzentrationen eingetragen und das sieht man vor Ort auch. In OSM ist der Bereich aber residential.
Das Problem hier ist, dass landuse meist Blockweise vergeben wird. Hier müsste die Grenze aber zwischen Vorder- und Hinterhaus verlaufen.

Ich tagge eigentlich mittlerweile alles was nicht quasi ausschließlich retail (Einkaufszentren, Orte in Gewerbegebieten mit einem großen Parkplatz und drumherum großen Läden, …) ist mit residential bzw. commercial.

Grund: Es ist sonst zu schwammig und schwierig zu entscheiden ob dieses oder jene Gebäude noch zu retail gehört oder nicht und dass kann sich auch ständig ändern je nachdem wer unten den Laden mietet (oder ob es Mieter gibt).

Wenn man sich die Innenstadt in Tübingen ansieht, dann wird da nicht pauschal in den Obergeschossen gewohnt, es gibt zwar Wohnungen, aber in dem Bild sind links im ersten Stock auch noch das Antiquariat, rechts soweit ich weiss Rechtsanwaltsbüros (könnte aber auch nicht mehr stimmen), und im Hintergrund ist das Studentenwohnheim Pfleghof (ehemaliger Pfleghof des Klosters Bebenhausen und dafür passt residential wohl gut). Links außerhalb des Bilds sind die Läden auch auf mehrere Etagen, da finde ich retail auf jeden Fall angebracht, auch wenn da noch ein paar Wohnungen dazwischen geblieben sind.

In den Nebenstraßen, z.B. in der Münzgasse, würde ich eher zu residential tendieren, abzüglich der Schule und den Unigebäuden.

An anderer Stelle könnte man evtl. diskutieren, ob nicht commercial anstatt retail angebracht wäre, z.B. hier https://www.openstreetmap.org/way/863891141

Dieses Retail würde ich teilen, und den Fluss und die Straßen ausnehmen, z.B. in der Ecke beim Affenfelsen ist es kein retail, da sind Reste der Stadtmauer und öffentlicher Raum: https://www.openstreetmap.org/way/51504240

So einfach ist das nicht. Der FNP beschreibt die geplante Nutzung - und nicht die tatsächliche. Und es gibt so gut wie nirgends rechtskräftige Festsetzungen als “Urbanes Gebiet”. “Urbanes Gebiet” ist auch kein Subtyp des Mischgebietes (besondere Art der baulichen Nutzung), sondern eine Ausprägung der “gemischten Baufläche” (allgemeine Art der baulichen Nutzung). Und OSM ist ein internationales Projekt - da sind landesspezifische Eigenheiten bestenfalls eine grobe Richtschnur.

Wie dem auch sei sehe ich das eher wie westnordost. Man verzettelt sich da nur in einem unpflegbaren Detail, das nicht wirklich gebraucht wird: Die meisten Karten unterscheiden das zurecht nicht. Und es gibt elegantere Wege um geschäftlich genutzte Gebiete darzustellen. Zum Beispiel färbt Google einfach Gebäudegrundrisse, auf denen ein POI eines Ladens oder dergleichen liegt einfach anders ein. Wenn also Büro’s, Läden und dergleichen alle erfasst sind, dann kann man das je nach Wunsch automatisiert einfärben. Ma müsste dafür nicht einmal den Gebäudetypus taggen :wink:

Die Idee des einfärbens von Objekten vielleicht auch sinnvoll.
Aber ich sehe halt dieses Schwammige: eventuell commercial, eventuell residentail und vielleicht doch retail - viel schwammiger, als wenn man sagt: Wir schaffen ein neues Tag (nenn es urban, downtown oder wie auch immer… ), dass genau für solche Umgebungen, wo es zur Vermischung dieser drei Nutzungsarten kommt und eine eindeutige Zuordnung nicht möglich ist, wie es halt in einer modernen Stadt ist. Und dann finde ich, hat man sogar noch weniger Pflegeaufwand, denn dann ist egal, ob sich ein Gebäude von der Nutzung ändert (ich habe schon in einer WG gewohnt, die war vorher ein Büro, hier hätte ein Anpassen des landuses mitten in der Innenstadt nicht gebraucht)
Mein Vergleich zum FNP war auch nur soweit ein Beispiel, um es argumentativ zu adaptieren.
Eine Fläche, die alle drei Typen beinhaltet, in eine der drei Kategorien zu schieben, lässt die anderen hinten überfallen - so ein Verhalten würde IMHO gegen den Grundsatz Dinge so kartieren, wie sie in der Realität sind verstoßen. Denn das festlegen auf einen einzigen Wert lässt 2/3 entfallen.

ich fände es gut, wenn man den POI jeweils noch eine Stockwerksanzahl mitgeben würde,
level=0 oder level=1-3 oder 1;2;3
oder level=-1-5

Und evtl. Wohnungen auch mappen (nicht wer da wohnt)

Neben den kombinierten Wohn- und Geschäftshäusern in den Städten gibt es noch diverse andere Mischnutzungen innerhalb eines Gebäudes oder auf einem gemeinsamen Grundstück.
Das kann ein neu gebauter Supermarkt mit Reihenhäusern auf dem Dach sein.
Das kann ein altes, saniertes Fabrikgebäude mit Möbelverkauf, Fitnessstudio und Fotograph sein.
Das kann ein aktiver Bauernhof mit Autowerkstatt und Wohnungen im Nebengebäude sein.

Eine universelle Lösung wäre es, mehrere Werte durch Semikolon getrennt zuzulassen.
Die Reihenfolge wäre nach Nutzungsanteil absteigend.
Bestehende Renderer und andere Auswertungen müssten die Abfrage nur minimal ändern (neben “landuse=key1” auch “landuse=key1;*”).
Wer die Auswertung genauer machen will, kann dann die Kombinationen berücksichtigen.

Dem Wohnen wird in Deutschland ein hohes Maß an Wichtigkeit zugesprochen - kann es doch alle anderen Nutzungsarten einschränken, Maßnahmen einfordern oder gar verdrängen. Das rechtfertigt die Bevorzugung von landuse=residential bei OSM.

Das ist alles relativ, wenn dein Wohnhaus und das deiner Vorväter, über Generationen bewohnt, zufällig dort steht, wo jetzt Braunkohle abgegraben werden soll, dann wirst du auf keine Bevorzugung hoffen können, sondern (gegen finanzielle Entschädigung) vertrieben werden.
Wenn neben deinem Haus eine Kaserne gebaut wird, dann wirst du mit tagheller Beleuchtung die ganze Nacht durch, leben müssen, und gegen den Lärm der Schule nebenan wirst du nichts tun können außer die Fenster zu schließen.
Sollten wir darum militärische Nutzung über Wohnnutzung „bevorzugen“ und den halben Ort als Kaserne taggen, weil das die „Hauptnutzung“ ist?

M.E. sollten wir nichts bevorzugen, sondern vielmehr so gut es geht die Realität abbilden. Steht ja auch schon im Wiki: die überwiegende Nutzung der Fläche. Wenn bei einem Einkaufszentrum oben drauf noch Wohnungen sind, dann ist das m.E. trotzdem landuse=retail, aber dass da ein Wohnanteil ist, das finde ich schon eine Erwähnung wert.
Z.B. im Gebiet des OP hier: https://www.openstreetmap.org/way/168062843/
Dass das 3 Stockwerke hat finde ich auch ziemlich wichtig, weil es so dreimal so groß ist als wenn es nur eine Etage wäre (bisher nicht getaggt). Da die Wohnungen oben drauf sind (Afaik) könnte man es vermutlich mit gestapelten building:parts lösen.
Nebenfrage: bezieht sich building:use nur auf buildings oder auch auf building:part? Oder braucht man building:part:use?

+1.

Die Kategorie “urbanes Gebiet” hat die Politik übrigens 2017 geschaffen, um auf ehemaligen Industrie- oder Hafenflächen Wohnbebaung zu ermöglichen, ohne vorher sämtliches Gewerbe zu vertreiben. Mit traditionellen Innenstädten hat das nichts zu tun.

in der BauNVO gibt es M und MK seit ewigen Zeiten. Traditionelle Innenstädte.

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