Hallo zusammen. Ich bin ein Kollege von Anna und Karen (bin und war aber praktisch nicht in das “Detailmapping” Projekt involviert) und wurde kürzlich von den Beiden gefragt, was jetzt wirklich dagegen spricht bei diesem Projekt die Fußwege als von den Fahrbahnen getrennte Ways zu mappen. Ich tat mich schwer eine gute Antwort zu geben. Helft mir bitte.
Es ist ja prinzipiell klar, dass es hier unterschiedliche Mapping-Ansätze gibt, wobei sowohl das eine als auch das andere Modell Vor- und Nachteile hat. Weder die Community noch das OSM Wiki sprechen sich eindeutig für oder gegen eine der beiden Varianten aus. Meine Einschätzung solcher Situationen in OSM war eigentlich immer, dass bei “gleichwertigen” Mapping-Modellen die Mapper, die jeweils die beste und aktuellste Ortskenntnis haben, auch selbst entscheiden können welches Modell sie verwenden. Vermieden werden sollte allerdings das schlichte “Um-Mappen” von einem System in das andere. Das ist aber hier nicht der Fall, weil viele weitere Details wie z.B. Oberflächenbeschaffenheit der Gehsteige oder Bordsteinkannten erfasst werden.
Manche Argumente in diesem Thread kann ich nicht ganz nachvollziehen: Welche “bestimmte Anwendungen” können denn konkret nicht mit separat gemappten Fußwegen umgehen? Gibt es da irgendwelche Belege, oder ist es einfach eine Vermutung? Ist es nicht prinzipiell eher so, dass die am häufigsten praktisch im Einsatz befindlichen Router (Graphhopper, OSRM, pgRouting, …) viel einfacher mit separat gemappten Fußwegen umgehen können, meist sogar “out of the box”?
Natürlich ist das Mappen der Gehweg-Geometrien aufwändiger und erfordert mehr Sorgfalt (zum Beispiel wenn es darum geht die Verbindungen zum Straßennetzt korrekt zu mappen, oder dass man alle relevanten Einmündungen in die Straße genau erfassen muss), aber genau darum geht es in dem Projekt ja: Dass man die physisch vorhandene Situation so detailreich und realisätstreu wie möglich in OSM modelliert. Dinge wie „Durchverbindungen“ an Einmündungen sind ja in der Regel physisch vorhanden, beispielsweise erkennbar durch abgesenkte Bordsteine und müssten ja auch beim Mappen “ohne separate sidewalk ways” eingetragen werden, um die Information über Bordsteinkantenhöhe, Überquerbarkeit (bzw. nicht-Überquerbarkeit der Straße), und andere Eigenschaften zu taggen. Der einzige Unterschied ist, dass in einem Fall ein node auf dem Weg gesetzt wird mit diversen Attributen (z.B. kerb:height:left/right, …), und im anderen Fall ein Übergang als Way modelliert wird.
Ich kann manche Argumente für das Mappen der Gehsteige als Attribut der Fahrbahnen durchaus nachvollziehen, aber die meisten hier genannten nicht. Dass bei der Alternative ansonsten der Datenbestand vollkommen unnötig aufbläht wird ist doch ein Witz, oder? Sollte man, um Daten zu sparen, dann auch bei Kurven nur noch einen einzelnen Node in den Radius setzen, Bahnlinien nur noch als gerade Linien zwischen den Bahnhöfen mappen, oder wie jetzt? Das Verkompizierungs-Argument ist auch zweischneidig: Schaut einfach mal das Beispiel von Anna an: Diese Art zu Mappen ist doch alles andere als einfach und intuitiv, und wird nur noch komplexer wenn man zusätzliche Dinge wie Bordsteinhöhen o.Ä. hinzufügen möchte. Das Argument dass man in der Regel vom “Fußweg aus über die Straße gehen kann” finde ich noch am schlüssigsten, aber hängt (wie schon geschrieben) sehr stark von der lokalen Situation und den persönlichen Umständen der Fußgänger ab (z.B. darf man an vielen Stellen eine Straße gar nicht überqueren; an anderen Stellen wäre es gefährlich oder man kann als Person mit Kinderwagen, Rollator oder Rollstuhl es einfach nicht). Ich persönlich finde, dass man diesen Sachverhalt auch ganz gut durch Tags an der Straße darstellen kann (sidewalk=separate wird dafür laut Wiki benutzt).
Auch dass in immer mehr Städten das Mapping der Gehsteige als getrennte Ways praktiziert wird ist doch wohl ein Argument für diese Variante, oder?
Abschließend möchte auch noch sagen, dass ich in der Diskussion hier etwas das Einsichtsvermögen vermisse. Viele Meldungen lesen sich einfach wie ein verklausuliertes „ich mache das so, deshalb sollt ihr anderen das auch so machen”, und gingen wenig bis nicht auf die Argumente und Fragen von Anna und Karen ein. Das finde ich schade. Natürlich wollen sie sich nicht über die Meinung der (deutschen) Community stellen, und ich glaube sie nehmen auch jede Antwort als wertvollen Input an. Ich hätte es allerdings besser gefunden wenn man neutral über die Sache berichtet hätte, optimalerweise mit Referenzen und Argumenten für und wider der beiden Varianten, damit sich die Fragesteller selbst ein komplettes Bild über die Sache machen hätten können. Ich hoffe ihr nehmt es nicht persönlich, wenn sich Karen und Anna nun dazu entschließen sollten, die Gehsteige “doch” als separate Geometrien zu erfassen.