Tag-Proposal-Abstimmung Mapping disputed boundaries

Hallo,

bis zum 10. Februar kann über das Proposal Mapping disputed boundaries von Johnparis abgestimmt werden. Es ist anlässlich des letzten Krim-Streits entstanden. Es umfasst mehrere Unterseiten. Momentan gibt es 4 Ja-Stimmen, 3 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen. Für die Annahme ist eine 74-prozentige Mehrheit erforderlich.

Leser seien darauf hingewiesen, dass es mit ClaimedBorders von Rorym ein Proposal gibt, das in eine ähnliche Richtung geht.

Beide Proposals sind keine 08/15-Proposals. Sie schaffen nach Meinung einiger Abstimmender Präzedenzfälle bzgl. des Überprüfbarkeitskriteriums. Mir selbst fällt die Länge des Proposals auf. Die Proposals sind es wert, sich an der Abstimmung zu beteiligen.

Viele Grüße

Michael

Puh, schwerer Stoff :wink:

Technisch schwer verdaulich.

Einer der (wenigen) Fälle wo ich Mir einen Arbeitskreis von 20 -30 Mappern wünschen würde und nur die Mitglieder die Ländergrenzen anfassen dürfen.

Ich habe gerade gegen das Proposal gestimmt.

Kurzfassung: Es ist zu kompliziert. Im Falle der Krim ist sein Nutzen Null. Ihm fehlt eine Musterimplementierung, die ich bei solchen Relations-lastigen Proposals erwarte. Es verschiebt den Streit um Grenzen hin zu einem Streit über die Liste der anspruchsberechtigten Staaten.

EDIT: aktuell 26 abgegebene Stimmen, davon 16 Ja, 8 Nein, 2 Enthaltungen

Ich denke mal ich werde mich enthalten.
Bin prinzipiell der Meinung, dass Grenzen in eine separate DB gehören. :sunglasses:

Würden (ohne Carto Anpassung) die ganzen Versionen der Grenzen alle wild übereinander gerendert?

Zum Glück führt das Proposal für die Wunsch-Grenzen, die nicht dem kontrollierten Gebiet entsprechen separate boundary=*-Tags ein und ist somit abwärtskompatibel.

16/9/2

gruss
walter

Hab ich jetzt total 'nen Knick in der Linse? Ich komme bei den Ja-Stimmen auf 15.

Das Ganze hat übrigens noch ein bisschen an politischer Brisanz gewonnen dadurch dass der OSMF-Vorstand gestern den Wunsch artikuliert hat, dass die OSM-Community einen Weg findet, wie unterschiedliche sich widersprechende Auffassungen von Grenzen erfasst werden können:

https://lists.openstreetmap.org/pipermail/osmf-talk/2019-February/005972.html

Das hat jetzt nicht zwangsläufig wirklich eine große Bedeutung, was der OSMF-Vorstand gerne hätte kann einem als Mapper bei so was herzlich egal sein. Aber es sollte schon allen klar sein, dass wie Michael schon sagt das kein 08/15-Proposal ist und dass davon eventuell eine gewisse Signalwirkung ausgeht.

Verschiedene Argumente und Sichtweisen auf das Thema sind in den Kommentaren in der Abstimmung eigentlich ganz gut zusammengefasst.

Christoph macht aus einer Mücke einen Elefanten. Der Vorstand hat gesagt, dass er sich freuen würde, wenn das eines Tages möglich wäre. Das haben verschiedene Mitglieder DWG schon seit Jahren bei verschiedenen Gelegenheiten gesagt. Auch im Zugde der Diskussion über Vektortiles auf osm.org haben einige Leute gesagt, man könnte dann ja jedem seine eigenen Grenzen anzeigen. Also “brisant” finde ich andere Dinge.

Bye
Frederik

Ich habe den Knick. Ich habe mich heute Nachmittag verzählt (beim Scrollen zählen ist nicht zuverlässig). Jetzt, wo ich die Namen der Abstimmenden auf ein Blatt Papier geschrieben habe, komme ich auf 15 Ja, 9 Nein und 2 Enthaltungen.

Aufgrund der Brisanz des Themas würde es mich ausdrücklich freuen, wenn sich mehr Leute an der Abstimmung beteiligen, egal welche Meinung sie haben.

Ich selbst bin noch nicht mit mir selbst im Klaren, welche Haltung ich bei verbesserten Entwürfen oder bei Rorys Gegenentwurf einnehmen werde. Unabhängig von der Meinung zur Überprüfbarkeitsfrage hat das Proposal einen echten Fehler. Es schlägt vor, die Grenzrelation für die Krim mit controlled_by=RU;UA und claimed_by=RU;UA zu taggen. Soll dieses Proposal nicht dazu dienen, dass ein Datennutzer die Welt, so wie er sie sich wünscht, bekommt? Also eine rein ukrainische Krim, wenn man die ukrainische Sicht haben möchte, eine rein russische Krim im umgekehrten Fall? Das geht mit dem zur Abstimmung stehenden Proposal aber nicht. Selbst Datennutzer, die dieses Taggingschema korrekt auswerten würden, hätten auf die Frage, in welchem Land ein Punkt auf der Krim liegt, zwei Antworten, nicht eine.

Ich bin ja selber auch geschäftlicher OSM-Datennutzer und da ist hin und wieder die Aufgabe dabei, in einem räumlichen Datensatz allen Objekten (z.B. Straßen oder POIs) das Land zuzuweisen, in dem sie liegen. Dafür wäre ein überlappungsfreier Grenzdatensatz nicht schlecht, damit dieselbe Abfrage in Überlappungszonen jedes Mal dieselben Ergebnisse zurückgibt. Als Datennutzer selbst würde ich jedoch Rorys Ansatz präferieren. Aus Mappersicht tendiere ich jedoch dazu, die Grenze dessen, was in OSM darf, bei der Überprüfbarkeitsfrage zu ziehen.

Also wenn jetzt mein sehr dezenter und zurückhaltender Hinweise hier auf die Entwicklungen in der OSMF, die ja nun schon ohne Zweifel einen gewissen Bezug zum Thema haben, als Mücke zum Elefanten machen gesehen wird dann sind da die Maßstäbe ein bisschen verschoben. Zur Frage wo auf einer Skala zwischen Mücke und Elefant sich das Ganze abspielt hab ich gar nichts sagen wollen - da kann sich wirklich jeder selbst eine Meinung zu bilden.

@Nakaner - schön, dass wir hier die ground-truth abklären konnten.:wink:

Grundsätzlich find ich das Thema auch interessant - sowohl von kulturgeographischer Seite, sprich: was für Konstrukte da in der Welt bei Grenzen existieren, als auch von soziologischer Seite innerhalb OSM - was das für Auswirkungen hätte, wenn man versuchen würde, so was in OSM zu erfassen. Aber es ist halt enorm schwierig, da eine offene Diskussion zu zu führen ohne dass irgendjemand von vornherein mit der festen Überzeugung ankommt, dass so was in OSM erfassbar sein muss. Also wirklich mal sachlich darüber zu sprechen wo man im langfristigen Interesse des Projektes und der Mapper die Grenzen (im übertragenen Sinne) dessen ziehen sollte, was in OSM gehört und was nicht.

Für mich fehlt dem Vorschlag der Miteinbezug von admin_level=3 Grenzen. Mit die kontroversesten Konflikte auf OSM sind auf dieser Ebene zu finden. Transnistrien, Karabach, Abchasien, Südossetien, etc.

Warum wird im Beispiel Krim eigentlich controlled_by=RU;UA gesetzt? Egal wie man diesen Konflikt sieht, die faktische und ausschließliche Kontrolle übt hier Russland aus? Und wie verfährt man mit Separatistischen Gebieten, die kein allgemein anerkanntes Länderkürzel haben?

Prinzipiell halte ich den Proposal für gut, aber meines Erachtens in dieser Form noch nicht für annehmbar.

Dass man eine “List of claiming entities” aufstellen will halte ich für äußerst kontrovers. Im Proposal wird z.B. explizit das separatistische Transnistrien aus dieser Liste ausgeschlossen, ohne echte Begründung. Hier spricht man also dem einen Territorialkonflikt Bedeutung zu, und dem anderen spricht man sie ab.

Legt man den Streitparteien nach Umsetzen dieses Proposals ein Instrument in die Hand nach dem Motto: I render what I claim?

Anders gesagt: Stellt man Streitparteien dann Daten zur Verfuegung, die es diesen erleichtern eigene Karten zu rendern, welche die beanspruchten Gebiete als eigenes Staatsgebiet darstellen?

Lg, Gppes

Gerade nochmal im Detail durchgelesen und ich bin absolut entsetzt und halte den Vorschlag jetzt für politisch massiv voreingenommen. Damit etwas eine “claiming entity” ist, muss eine Entität nicht mehr nur “on the ground” Kontrolle ausüben, sondern auch von mindestens 10 UN-Mitgliedsländern anerkannt werden. Damit werden auf OSM praktisch alle separatistischen Konflikte (Karabach, Abchasien, Transnistrien, Nordzypern, Südossetien) zugunsten der nicht-separatistischen Partei entschieden und die on-the-ground-Regel komplett außer Kraft gesetzt.

damit befindet sich Taiwan auf dem absteigenden Ast, denn die Anzahl der Länder hat sich in den letzten Jahren auf 17 reduziert

https://www.openstreetmap.org/relation/449220#map=6/18.595/118.328

Und genau das ist ein Grund, warum dieser Vorschlag abzulehnen ist. Solange sich an den Fakten vor Ort bzw. auf dem Boden nichts ändert, sollte sich auf der Karte auch nichts ändern. Egal ob jetzt ein Land mehr oder weniger Region X als Teil von Y oder Z sieht. OSM soll explizit nicht politisch sein, sondern objektiv die faktische Lage abbilden.

Alles irgendwie schwierig… Ich glaube ja, dass die Mehrzahl der Grenzen in Landkarten sowieso reine Phantasiegebilde sind und nichts mit dem Einflussgebiet der anerkanntesten unter den ansässigen Regierungen zu tun haben.

Diese Liste könnte man durch proposal erweitern. Ist natürlich auch schwierig und verlagert den Streit in proposals, aber mit irgendwas muss man ja anfangen. Jedenfalls hätten wir ein Verfahren: Proposals können die Kriterien ändern und sie können einzelne Gebilde in die Liste aufnehmen.

Es wäre besser als das, was wir jetzt haben: Ich komme nur selten in annektierte Landesteile, abtrünnige Provinzen oder Rebellengebiete, aber für Nordzypern kann ich bestätigen, dass unsere Karte nicht den Verhältnissen vor Ort entspricht. Ich weiss nicht, ob ich in einem eigenen Staat war oder in einer türkischen Provinz mit eigenem Logo. Ich war aber ganz sicher nicht in einem Staat der die ganze Insel umfasst.

Grüße
Max

Es liegt in der Natur der Sache, dass es zu umstrittenen Gebieten keine Einigkeit geben wird.
Das gilt daraus folgend auch für claiming entities oder proposals. Wer will denn da akzeptierte Kriterien festlegen?
Ich sehe das Ganze als Versuch an, jeder “entity” ihr eigenes Kartenbild zu ermöglichen und sie so zufrieden zu stellen. Das erfordert jedoch einen erheblichen Aufwand und es bleiben immer noch genügend Zweifelsfälle.

Zur Ehrenrettung des Proposals muss gesagt sein, dass das Konzept der “line of control” (so es denn angewandt wurde) auch seine Schwächen hat: Es gibt genug Gegenden in der Welt, in denen die Milizen eines Warlords, eines Kalifen usw. die tatsächliche Kontrolle über einen langen Zeitraum ausübten, ohne dass da eine “l_o_c” eintragbar war. Das Überqueren dieser Linien war und ist aber weitaus gefährlicher als das Überqueren der meisten “strittigen Grenzen”, egal ob die “entity” jetzt von 10 oder keinem UN-Mitglied anerkannt ist.

Die Welt “on the ground” ist halt komplex und eine Geo-DB muss abstrahieren und kann nicht alles abbilden.

Das stimmt natürlich. Aber der Entwurf erklärt eben den Gebietsanspruch quasi aller De-facto-Staaten für nicht legitim. Und De-Facto-Staaten sind eben deutlich von Warlords und Bürgerkriegsmilizen zu unterscheiden. Konkret sind es ja eigentlich nur fünf Gebiete, die diese Definition erfüllen (Abchasien, Bergkarabach, Nordzypern, Südossetien, Transnistrien), eventuell könnte man noch den Kosovo dazuzählen. Von den De-Facto-Staaten haben einige sogar eine sehr aktive Mapping-Community auf OSM.

Wenn man sich anschaut, welche umstrittenen Gebiete es sonst noch gibt und welche davon a) eine aktive Mapping-Community haben und b) auf OSM tatsächlich Kontroverse verursachen, dann sind es neben der Krim eben hauptsächlich diese 5-6 De-Facto-Staaten.

Der Entwurf ist vom Wortlaut her zwar so gehalten, als könne man ihn auf ganz viele Konflikte weltweit anwenden, aber in der Praxis wird er sich in seiner jetzigen Form nur auf ein paar wenige Präzendenzfälle, wie Krim oder Kosovo, anwenden lassen. Gleichzeitig wird die “ground truth”-Regel außer Kraft gesetzt und ein großer Teil der Territorialkonflikte auf OSM zugunsten einer Konfliktpartei entscheiden. Die Bedingung, dass 10 UN-Mitgliedsstaaten eine Entität anerkannt haben müssen, erscheint mir da sogar durchaus als politisches Statement und bewusst so hoch gewählt, dass eigentlich alle De-Facto-Staaten explizit ausgeschlossen werden.

Hallo,

das Proposal ist mit 16 Ja-Stimmen, 14 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen durchgefallen (erforderliches Quorum 74 %).

Viele Grüße

Michael