Sehr geehrter …
vielen Dank für Ihre untenstehende Anfrage vom 04.01.2019. Hierzu möchten wir wie folgt Stellung nehmen:
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Ist das Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG), insbesondere § 59, Abs. 1, wo es heißt: „Das Betreten der freien Landschaft auf Straßen und Wegen sowie auf ungenutzten Grundflächen zum Zweck der Erholung ist allen gestattet (allgemeiner Grundsatz)“ noch gültig (siehe: [http://www.gesetze-im-internet.de/bnats](http://www.gesetze-im-internet.de/bnats) … /__59.html)?
Ja. Das BNatSchG ist gültig.
- Ist das Naturschutzgesetz (Gesetz des Landes Baden-Württemberg zum Schutz der Natur und zur Pflege der Landschaft), in Kraft getreten am 14.07.2015, geändert durch Gesetz vom 21.11.2017 noch gültig, insbesondere die §§ 44 Abs. 1 und 69 Abs. 2 Nr. 6?
Ja. Das NatSchG ist in Kraft.
- Was ist unter der Aussage in § 44 Abs. 1 NatSchG (von BW): “ Das Betretungsrecht gemäß § 59 Absatz 1 BNatSchG umfasst nicht das Fahren mit motorisierten Fahrzeugen, das Abstellen von motorisierten Fahrzeugen und Anhängern, das Zelten oder das Feuermachen.“ zu verstehen (siehe: https://dejure.org/gesetze/NatSchG/44.html))?
Das Betretungsrecht nach § 59 Abs. 1 BNatSchG wird durch § 44 Abs. 1 NatSchG zulässigerweise eingeschränkt. Danach ist das das Fahren mit motorisierten Fahrzeugen, das Abstellen von motorisierten Fahrzeugen und Anhängern vom Betretungsrecht nicht umfasst. Die Herausnahme motorisierter Fahrzeuge vom Betretungsrecht dient dem Naturschutz. In der Begründung zum NatSchG 2005 (LT-Drucks. 13/4768, S. 145 f.), auf die in den späteren Änderungen des NatSchG verwiesen wird, findet sich zum § 51 Abs. 2 NatSchG a.F. folgende Aussage:
„In Absatz 2 werden die Regelungen des § 37 Abs. 2 und § 38 Abs. 1 NatSchG a. F. zusammengefasst und mit § 37 LWaldG harmonisiert. Dabei wird die Regelung, die früher nur auf das Schlitten- und Skifahren beschränkt war, auf alle natur- und landschaftsverträglichen sportlichen Betätigungen erweitert; hierzu zählen grundsätzlich keine Sportarten mit umfangreichem technischen Gerät oder Motorisierung. Weiterhin gehören das Zelten und das Abstellen von motorgetriebenen Fahrzeugen oder Anhängern wie bisher nicht zum Betreten. Damit bleiben auch Motorschlitten und Wohnwagen ausgeschlossen.“
§ 51 Abs. 2 NatSchG a.F. hatte folgenden Wortlaut:
„Zum Betreten gehören auch natur- und landschaftsverträgliche sportliche und spielerische Betätigungen in der freien Landschaft, nicht jedoch das unerlaubte Zelten, Fahren und Abstellen von motorgetriebenen Fahrzeugen oder Anhängern.“
Somit ist § 44 Abs. 1 NatSchG so zu verstehen, dass ein Betreten mit jedem motorisierten Fahrzeug (unabhängig von der Motorart) unzulässig ist, es sei denn das Fahrzeug ist privilegiert und ausdrücklich von diesem Verbot herausgenommen (wie z.B. Pedelec oder Krankenfahrstuhl mit Motorantrieb, § 44 Abs. 1 S. 2 NatSchG). Selbst wenn das Betreten mit einem privilegierten Fahrzeug grundsätzlich möglich ist, müssen die übrigen Bestimmungen des § 44 NatSchG eingehalten werden (Betreten landwirtschaftlich genutzter Wege nach § 44 Abs. 2 NatSchG, Betreten von Schutzgebieten nach § 44 Abs. 3 NatSchG, Einzelanordnungen nach § 44 Abs. 5 NatSchG).
- Da § 59 des BNatSchG eindeutig von der Gestattung auf „Straßen und Wegen“ der freien Landschaft spricht und § 44 Abs. 1 NatSchG (BW) (siehe: https://dejure.org/gesetze/NatSchG/44.html)) dies für motorisierte Fahrzeuge verbietet und § 69 Abs. 2 Nr. 6 (siehe: https://dejure.org/gesetze/NatSchG/69.html)) dies als Ordnungswidrigkeit aufführt, wird das Ministerium um Erläuterung gebeten, was nun damit gemeint ist.
§ 59 Abs. BNatSchG normiert, dass das Betreten der freien Landschaft grundsätzlich zulässig ist.
Die freie Landschaft ist die Gesamtheit von Wald und Flur, dies sind somit alle Gebiete außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (OVG Münster NuR 2014, 137, 137 f.). Entscheidend ist, ob eine Fläche einem baulich genutzten Bereich noch zugerechnet werden kann (OVG Berlin-Brandenburg ZUR 2009, 426, 428). Voraussetzung hierfür ist, dass sie im Wesentlichen von den sie umgebenden Anlagen geprägt ist.
Ausnahmsweise können Flächen innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile Bestandteile der freien Landschaft sein. Dies gilt für solche Flächen, die in erster Linie von ihrer Naturhaftigkeit und weniger von der umliegenden Bebauung geprägt sind.
Unter Straßen i.S.d. § 59 Abs. 1 BNatSchG versteht man alle privaten und öffentlichen Straßen (Kraft, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2. Aufl., 2018, § 59 Rn. 12, 13). Ein Weg liegt vor, wenn ein begehbarer Streifen im Gelände gegeben ist, der zumindest mit einiger Regelmäßigkeit als Fläche zur Fortbewegung genutzt wird und sich in dieser Funktion nach seinem äußeren Erscheinungsbild von der von ihm durchzogenen Landschaft abhebt (Kraft, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2. Aufl., 2018, § 59 Rn. 14).
Im Ergebnis muss daher beim Fahren mit nicht privilegierten motorisierten Fahrzeugen die Weiterfahrt unterbleiben, wenn öffentliche Straßen, die für den Verkehr freigegeben sind, innerhalb oder außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile verlassen werden und damit naturhafte Bereiche (freie Landschaft) betreten werden.
Mit freundlichen Grüßen