Was ist die Essenz von OSM?

Hallo,

alle naslang kommt irgendjemand um die Ecke und hat irgendwelche großartigen, visionären, weitreichenden Ideen, wie sich OSM weiter entwickeln könnte. Der Melting-Pot für amtliche Geodaten! Die Datenbank für computer-generierte AI-Geodaten! Gebiete gegen Änderungen schützen! Hochgeladene Daten erst in einen Review-Prozess! Tankstellen automatisch vom gewerblichen POI-Dienst reinladen! Daten von anonymen App-Nutzern einsammeln! Historische Daten erlauben und Zeugs, das man nicht prüfen kann! Mapper für ihre Arbeit bezahlen, und so weiter.

Ich stehe da dann oft eher auf der Skeptiker-Seite und sage artig den alten Spruch: “Das haben wir noch nie so gemacht, das haben wir schon immer so gemacht, da könnte ja jeder kommen”.

Und die anderen sagen dann, man müsste doch auch mal Neues zulassen, nicht immer alles ablehnen, nicht verkrusten, etc.etc.

Dann denke ich. Es gibt sicher vieles, was man erlauben, ausprobieren, ändern kann. Evolution, Anpassung an neue Umstände, andere Probleme, alles klar. Aber es gibt andere Sachen, wenn man die ändert, dann wäre es nicht mehr OpenStreetMap. Dinge, bei denen ich danke: “Das kannst Du schon so machen, aber dann ist es halt Scheiße nicht mehr OpenStreetMap, sondern ein neues Projekt.”

So ein bisschen wie in einem Staat munter beliebige Gesetze gemacht werden können, aber dann gibt es auch eine Verfassung und eine “freiheitlich-demokratische Grundordnung”, die man nicht einfach so über den Haufen werfen kann.

Was sind für Euch die “essentiellen” Eigenschaften von OSM, ohne die es nicht mehr OSM wäre? Gibt es die?

Bye
Frederik

Essentielle Eigenschaften:

  • Open(1): Dass jede(r) Geoinformationen contributen kann, aber auch identifizierbar ist und dafür einsteht

  • Open(2): Dass die Daten (beliebig) weiterverwendet werden dürfen, solange OSM genannt ist (über den Grad von “beliebig” ist an einigen Stellen zu diskutieren)

  • Map: Dass sehr verschiedene Arten von Karten daraus erstellt werden können (Auto, Fahrrad, railway, …) und damit auch diese verschiedenen Arten von Informationen in der DB sind

  • Charter: Dass man sich wie eine community einigt und nicht eine hierarchische Organisation ist

Provozierendes Szenario für Denkanstöße: Angenommen die Bundesregierung (vertreten durch Behörde X) käme auf OSM zu, dass sie

  • OSM nutzen möchte, um Informationen über den Verlauf von Datenkabeln einzubringen

  • OSM dazu einen restricted access für diese Datenelemente einführen soll, so dass nur dazu befugte Mitarbeiter von X diese ändern können

  • Hierfür erforderliche Features definieren darf (immer mit einem Review-Prozess durch die community)

  • die Kosten bezahlt, dass z.B. die Editoren darauf ausgerichtet werden, diese Elemente richtig zu handeln

  • 10 Million €/Jahr für zusätzliche Serverkosten bereitstellt, die für den gesamten Serverbetrieb von OSM (nicht nur die Datenkabel) genutzt werden dürfen

  • Die Informationen über die Datenkabel gemäß OSM policy von jeder/m genutzt werden können

Dieses Szenario wäre auch auf jeden Verkehrsverbund übertragbar, dann eben ein PTv3, definiert durch den VVB. Die Frage, die automatisch die Essenz von OSM mit betrifft:

Würden wir es ganz oder tlw. machen?

Klar, dass das keine innerdeutsche Angelegenheit ist, ich wollte aber das Beispiel klein halten.

BT

Das sind alles Sachen, mit denen ich mich diplomatisch gesagt nicht anfreunden könnte und wo ich auch auf der Skeptiker-Seite stehen würde ,wo ich dann irgendwann auch endgültig sagen würde, das wars. Weil es eben dann nicht mehr Openstreetmap ist.

Das fängt für mich schon bei Firmen an, die Mapper bezahlen, die die Daten aus welchen Grund auch immer nicht unbedingt verbessern. Diese Firmen versuchen dann auch Ihre Mappingschemas durchzudrücken. Auch wenn sie Daten beitragen ist das marginal und verschlimmbessert IMHO unsere Daten eher, als das es hilft.

Für mich als ursprünglicher Craftmapper war früher die Datensammlung vor Ort im essentiell. Gut die Datenspenden verschiedener Dienste haben in vielen Fällen die Arbeit leichter gemacht und auch ein großes Stück vorangebracht.

Zu den Datenspende für Tankstellen habe ich mich hier und in der Mailingliste schon eingelassen. Ich lehne das ab, weil ich befürchte, dass wir irgendwann nur noch die nützlichen Deppen sind, die die Daten für kommerzielle Anbieter pflegen. Mit dieser Meinung bin ich nicht alleine.

Ja, das Projekt entwickelt sich weiter. Was ich aber im Vergleich mit meinen Anfängen 2009 feststellen muss, dass die Craftmapper langsam immer weniger werden und dass sich eine Mentalität breit macht, dass jeder nur noch seine Interessen verfolgt, nur noch sein Taggingschema als das einzig Wahre erachtet und ein vermehrtes Mappen für Renderer und Router. Das bringt die Vision von wirklich freien Geodaten nicht voran und behindert auch die Kreativität, die uns noch auszeichnet.

Früher war mehr miteinander in der Community.

Was mich hier hält, ist, dass es immer noch einige Entusiasten gibt, die die ursprüngliche Ideale von OSM hochhalten.

Ansonsten Bicycle Tourer +1

Auch wenn ich es nicht über einen so langen Zeitraum verfolgt habe, glaube ich, dass die Ursache dafür zu viele undefinierte oder zu allgemeine oder zu “gar keine” Angaben im Wiki sind. Bsp.: Klassifizierung von links an Einmündungen — es gibt aber nur generische Regeln für alle Typen von Kreuzungen. Die Diskussion sieht für mich hier so aus, dass die Leute resigniert haben, was den Wiki angeht und es auf ihre Weise machen, interessanterweise: deutlich anders als im Wiki, aber untereinander sehr ähnlich …

BT

Ich finde die Fragestellung sehr unglücklich, denn so erhält man nur eine Liste mit Argumenten für oder gegen alles. Unstrittig ist: Nichts ist so beständig wie die Veränderung. Auch OSM muss sich Veränderungen anpassen und genau diesen Sachverhalt sollte man herausarbeiten.

ich finde die Fragen auch unglücklich und viel zu polemisch.

Verstehe ich jetzt nicht. Die meisten freuen sich, wenn sie amtliche Daten nutzen dürfen. Du musst Dir nur mal anschauen, wie die Hausnummernabdeckung in DE aussieht. Ist nicht ganz unumstritten, aber die Unterschiede sind erheblich

So in dieser Absolutheit wird wohl kaum einer ja sagen. Wenn ich jetzt Frage, ob ein AI-Vandalismusdetektor problematische Dinge aufzeigen soll, sieht die Antwort sicher ganz anders aus. Nur weil man zwei Synonyme für automatisiert in einem Satz unterbringt, wird es nicht doppelt schlecht :wink:

Oh Gott nein !!! Wir weren alle sterben!!! Stelle ich die Frage um und frage nach einer “Kindersicherung” für (umstrittene) Grenzen mit Review-Prozess nach dem Hochladen…

Ohne das Wort “automatisch”, sehe ich da kein Problem. Du benutzt das Wort “gewerblich” irgendwie abwertend.

Das machen wir schon seit Jahren, direkt bis vor kurzem als Notes, indirekt bspw über GPS Spuren von irgendwelchen Anbietern…oder Wheelmap

und so fort :slight_smile:

Das ist doch eine gute Entwicklung, wenn niemand mehr Visionen oder Ideen hätte, würde ich mir große Sorgen um die Zukunft von OSM machen.

Gerade Historische Daten lassen sich sehr leicht aus verschiedenen Quellen überprüfen, und sind im Vergleich mit anderen Daten sehr beständig.
Oder sind Geschichtslehrer die modernen Märchenerzähler?
Natürlich können jetzt wieder akademisch Ausnahmen diskutiert werden, wo die Überprüfbarkeit nicht eindeutig ist…

Ich bin fürs umbenennen in OpenGeoDB!

Grüße von Lutz

Für mich steht da “Objektivität” und “Homogenität” höher als “Offenheit”.

OSM muss so aufgestellt sein, dass es seinen eigenen Erfolg überleben würde. Schon jetzt gibts Jäger, die Waldwege löschen, Anwohner, die Anwohnerstrassen erfinden und Autofahrer, die ihre Interpretation der Radwegebenutzungspflicht mit bicylce=no ausdrücken. Wie sieht das erst aus, wenn sowas wirkt?

Und genausowenig offen wie für eigene Interpretationen sollte OSM auch für neue Features sein. Das “S” steht für “Street”. Vielleicht gehören Hydranten und Rettungspunkte noch zu einer Strassenkarte. Aber welche Bio-Labels in welchen Reform-Häusern angeboten werden und mit welchen Zahlungsmitteln ich die kaufen kann nicht.

Soll heissen, wenn jemand Validierungen direkt in die API baut, die nicht mehr jeden Upload zulassen, sondern nur die, die bestimmte Konsistenz- und Plausibiliäts-Checks passieren, wäre das für mich nicht der Untergang von OSM, sondern eine Weiterentwicklung.

  • on-the-ground (Primärquellen) Regel, nicht wie bei wikipedia Sekundärquellen verwenden
  • ein höchst mögliches Maß an Freiheit (denn es gibt doch den wahren Spruch: wer die Freiheit zugunsten der Sicherheit aufgibt, verliert am Ende beides :wink: )

Von daher bin ich sehr froh, wenn Du den Angreifern dieser Punkte gerne die unten genannten zitierten Antworten gibst:

Zu erstens, ich frage mich immer noch wie es der Datenhaufen von wikidata in die OSM-DB geschafft hat. Mittlerweile wurde einstweilen sogar wikipedia überholt. Gibt‘s denn für die OSM-Nutzer irgendeinen sinnigen Anwendungsfall für wikidata? Gerne darf man mir Argumente nennen, die mich umstimmen, sodass ich vom vereinzelten punktuellen wikidata-Tag-Löscher zum wikidata-Erfasser werde…

Was meinst Du? Den Wikidata Tag?

http://lmgtfy.com/?q=openstreetmap+wikidata

Es gibt da Anwendungsfälle, Vorträge, Videos…

Wenn Du wikdata-Tags löscht, weil Du keine Nutzen darin siehst, würde ich das als Vandalismus bezeichnen. Unter welchem Namen editierst Du eigentlich?

Open Data, freie Lizenz, sehr hilfsbereite Gemeinschaft, Jeder kann mitmachen, …

+1

Wikidata ist gegenüber Verlinkungen zu Wikipedia-Artikeln ganz klar zu bevorzugen. Wikidata-IDs sind fest, Artikelnamen ändern sich immer wieder mal. In Gebieten mit mehr als einer Amtssprache muss man sich außerdem auf eine Sprachversion festlegen, wodurch man dann gleich wieder eine politische Komponente in OSM hat, die man hier besser nicht haben sollte.

Warum man Objekte in OSM mit dazugehörigen Wikipedia-Informationen verbinden sollte, liegt doch auf der Hand. Man hat sofort detaillierte Hintergrundinformationen bei der Hand. Nehmen wir als Beispiel ein Museum. Da fügen wir ja auch Telefonnummern und Webseiten hinzu, warum sollte man z.B. nicht auch gleich den Wikipedia-Artikel (bzw. den Wikidata-Eintrag) dazu nehmen? Ich bin mir sogar relativ sicher, dass das in etlichen Fällen für Endanwender nützlicher ist als z.B. Telefonnummern oder sogar Adressen.

Um nochmal aufs ursprüngliche Thema zurück zu kommen: Für mich ist die alte Seite Foundation/Core_Values eigentlich eine recht gute Zusammenfassung. Sicher nicht perfekt, aber es steht so ziemlich alles drin, was mir spontan als “Essenz” einfallen würde: Freie Lizenzen für Daten und Software, lokale Mapper als Alleinstellungsmerkmal, und eine hilfsbereite Gemeinschaft die nach dem Do-ocracy-Prinzip statt über Hierarchien funktioniert.

Siehe meine Antworten im anderen ggf. passenderen Diskussionsthema hier:
https://forum.openstreetmap.org/viewtopic.php?pid=718715#p718715 (wikipedia- (und wikidata)-Verweise in OSM-Datenbank behalten?)

Um auf das Beispiel im zweiten Beitrag zurück zu kommen, würde ich genau an der Stelle die Grenze ziehen, an der Nicht-Communitymitglieder für partikulare Interessen eigenständig z.B. tags definieren und Daten einpflegen können, die erst nach einer Freigabe oder ähnlichem für alle sichtbar, aber nicht änderbar sind.

Die Stärke von OSM besteht ja gerade in der Offenheit für alle, sonst könnte man das erste Zeichen O(pen) streichen. Ich selber habe nichts dagegen, daß Privatbetriebe wie beispielsweise Verkehrsbetriebe OSM für ihre Zwecke nutzen, eher im Gegenteil. Entscheidend ist dabei für mich aber, daß jedes Communitymitglied von Anbeginn Zugriff auf die entsprechenden Daten hat bzw. die (möglicherweise bereits vorhandenen) Daten von Anbeginn offen liegen und die zugehörigen Entscheidungsprozesse wie der Definition von tags und anderem in der gesamten Community liegen und nicht durch einzelne Gruppen beschränkt werden können.