Boundaritis - wo soll das hinführen?

@LogicalViolinist ???

Nichts ist verifizierbarer als historische Daten.
Die sind geschehen, dokumentiert, besungen, da wurden Gedichte und Bücher drüber geschrieben und Filme gedreht.
Egal was gemappt wird, die Pflicht (falls es eine gibt) eines Mapper bedeutet immer Augenmaß zu behalten.
Theoretisch könnte ich eine Gegend mit Punkten, Linien oder Flächen von real vor Ort existierenden Dingen zupflastern,
das jeder Neuling sofort den Editor wieder schließt und verschwindet.
Mach ich aber nicht, nur ab diesem Punkt greift das Argument irgendwelche Daten stören den “normalen Mappern” (sind mir persönlich lieber als die “unnormalen Mapper”) nicht mehr.
Tut mir Leid, aber wenn bei so einer Diskussion jemand mit Kreuzungen und Kreisverkehren kommt, den kann ich einfach nicht ernst nehmen…
Warum sollen Daten wie die Teilung Berlins, die alten Grenzen, Geschichte die die ganze Welt kennt nicht in eine freie Geodatenbank?
Aber die Anzahl der Bretter der Rückenlehne einer Parkbank ist von “Relevanz”.
Ich habe noch keine vernünftige Erklärung dieser ständigen Versuche historisch bedeutsamer Objekte auszuschließen gehört.
Ich vermute mal, es ist einfach nur Angst irgendwas nicht mehr unter Kontrolle zu bekommen, Angst vor dem Neuen und sich ständig Weiterzuentwickeln!

Grüße von Lutz

Dieser hirnamputierte Volltrottel hat damit ironisch die Relevanzfrage illustriert, wie du es hier …

… ebenfalls tust. Also: Wo ziehen wir die Grenze zwischen abgebauter Berliner Mauer und abgebauter Kreuzung? Irgendwo dazwischen muss sie sein.

–ks

Es braucht keine Grenze, sondern Augenmaß, und Vertrauen in den Mapper…

Grüße von Lutz

Erstmal ist das in dieser Allgemeinheit falsch; ziemlich viel ist auch unter Historikern einfach unklar oder unbekannt.

Für OSM bin ich ein großer Freund der ausreichend einfachen Verifizierbarkeit vor Ort. Wenn da irgendwas ist, und ich kann als normaler Mensch ohne Spezialausbildung (in Pflanzenkunde, Geschichte oder Geologie) hingehen und sehen: Stimmt, dieser Laden heisst tatsächlich so, oder diese Bank hat tatsächlich eine Rückenlehne - dann soll’s mir recht sein.

Probleme habe ich, wenn die Überprüfbarkeit vor Ort nicht gegeben ist, weil sie Spezialwissen, Spezialakten oder Spezialgeräte erfordert. Das kann bei gegenwärtigen Daten sein (zum Beispiel “hier ist die Grenze des Schulbezirks X”, “hier startet einmal im Jahr das große Fahrradrennen”, “der Baum hier ist 107 Jahre alt”, “an dieser Stelle befindet sich ein unterirdisches Ölvorkommen”), eher noch aber bei historischen (“hier stand mal ein Haus”, “hier fuhr mal eine Eisenbahn”, “hier kamen bei der Völkerwanderung die Kelten durch”). Da fürchte ich einerseits, dass wir zu viel in Streit-Gebiete abgleiten (“nein, Professor X hat eindeutig festgestellt, dass die Kelten 10km weiter nördlich durchkamen” - “aber Professor Y hat hier eine alte keltische Tabakdose ausgegraben”, usw.), andererseits auch, dass wir zu viel Informationen erfassen, deren Bearbeitung Expertenwissen voraussetzt; die Datenbank ist dann voll mit Zeugs, das sich ein normaler Mapper, der einfach mal eben eine neu gebaute Straße eintragen möchte, nicht anzufassen traut und das letztendlich jeden Neuling zum Mapper im Porzellanladen macht.

Ich will aber keine Experten-Projekt-Kathedrale, vor der der Neuling staunend steht und sie bewundert. Ich will eine Datenbank mit Sachen, die jeder Idiot, wenn er denn will, selbst überprüfen kann, indem er die Füße in die Hand nimmt und sich dorthin bewegt. Ich will keine Theorien, Geschichten, Pläne, Ideen in OSM, sondern die “anfassbare” Realität.

Natürlich gibt es keine Regel ohne Ausnahmen, und auch ich sehe den Nutzen von nicht-beobachtbaren Admingrenzen ein, oder den Nutzen der Namen un-beschilderter Wälder und Seen. Diese Dinge haben unbestritten einen hohen Nutzen für viele, und unbestritten auch eine erschwerte Überprüfbarkeit. Aber, so meine Meinung, solche Sachen sollten die Ausnahme bleiben. Wir sollten vom Prinzip der vor-Ort-Überprüfbarkeit (und dabei meine ich nicht “vor Ort im Rathaus” oder “vor Ort im Heimatmuseum” oder “vor Ort in der Bibliothek”) nur dort abweichen, wo es unbestritten einen hohen Nutzen gibt. Ich wehre mich entschieden gegen die Argumentation, nur weil wir an einer Stelle eine Ausnahme machen (Admingrenzen), könnten wir deswegen auch jeden anderen nicht vor Ort überprüfbaren Firelefanz in die Datenbank speisen.

Bye
Frederik

Hallo,

es ist schon spät, und ich muss früh raus.
Nur kurz das gesamte Bahnmappen ist Spezialwissen, ich wußte vor OSM nicht mal was gauge heißt.
Ebenfalls die Strommasten-Sachen.
Öffentlicher Nahverkehr, ohne intensives Studium nicht zu mappen.
Die Überprüfbarkeit vor Ort läßt OSM an einem gewissen Punkt auf der Stelle treten,
und der Mapper wird nur noch zum reinen kreativlosen Datensammler degradiert…

Grüße von Lutz

+1

Welche Maßnahmen / Aktionen leiten sich daraus ab?

Das sind alles Sachen, die von einer kleinen Fangemeinde vorangetrieben werden und wo 99% der Mapper die Augen verdrehen und sagen “naja, wer’s mag”. Auf der einen Seite putzig, auf der anderen Seite aber schon viel zu viel Detail. Wenn sich wieder mal zwei Bahnmapper streiten, ob irgendwas eine Haupt- oder eine Nebenstrecke ist, kann der Normalmapper nur noch da stehen und mit den Schultern zucken. Man lässt die Leute gewähren, weil man sich denkt “naja, so eine ÖPNV-Karte ist schon auch praktisch”, aber es ist in meinen Augen extrem grenzwertig.

In immer mehr Spezialgebieten möchten sich Leute zusammentun und gemeinsam eine Karte machen, und OSM scheint dankbares Vehikel dafür. Wenn der hypothetische deutsche Pilzfreundeverein seine Mitglieder auffordern möchte, das Vorkommen bestimmter Pilze zu kartieren, was ist leichter: Selbst eine Serverinfrastruktur aufzusetzen, oder einfach jedem sagen, er soll seine Pilzbeobachtungen bei OSM einkippen und dann schnell eine Overpass-Abfrage dafür zusammenstricken? So entstehen mit der Zeit immer mehr Parallel-Universen in OSM, die der normale Mapper bestenfalls noch mit einem Filter aus seinem JOSM raushalten kann, weil er von den Daten nämlich keine Ahnung hat. Finde ich nicht gut.

Ja, genau das wünsche ich mir: Bis hierhin und nicht weiter. Wo die Überprüfbarkeit aufhört, da sollen die Leute bitteschön auf der Stelle treten und nicht munter weiter marschieren.

Es gibt viele Eigenschaften, die einem Mapper gut zu Gesicht stehen: Sorgfalt, Ausdauer, Geduld, vielleicht sogar ein Hauch Perfektionismus, die Freude am Entdecken oder auch Teamgeist. Aber Kreativität ist das letzte, was ich von einem Mapper erwarte. Im Gegenteil, die Kreativen revertieren wir in der Regel zuerst :wink:

Bye
Frederik

Leider habe ich noch nicht den Gott-Status erreicht, bei dem sich automatisch irgendwas daraus ableitet, wenn ich meine Meinung sage. Ich hoffe, dass ein paar Leute lesen, was ich schreibe, und wenn sie das nächste Mal irgendeinem kaum verifizierbaren Humbug in OSM begegnen, wenigstens wissen, dass sie nicht allein darin sind, das fragwürdig zu finden.

Eine konzeptionelle Problematik kann man (nachhaltig) nicht operativ, sondern nur konzeptionell lösen. Und hier etwas auf die Bahn zu bringen, ist nach meinem Verständnis eine Aufgabenstellung für den OSM-Vorstand.

Ich bin erst kurz dabei, nehme aber eine deutliche Schieflage wahr: Während die einen Themen bis ins letzte Detail gemappt sind (z.B. die erwähnten Bahnstrecken, wo am Weichenvorfeld jedes Signal mit Typ und ref eingetragen ist), fehlen in derselben Gegend nur ein paar hundert Meter weiter noch sämtliche Bäche, die vom Hügel zu Tale rauschen und die nicht gerade winzig sind. Oder es fehlen noch fast alle Tracks, die die Felder durchziehen und über die sich OSM-nutzende Wanderer / Spaziergänger eher freuen würden als über das Datum der letzten Auswechslung des Leuchtmittels eines Bahn-Lichtsignals.

Ich wäre dafür, einen gewissen Mindeststandard pro km² festzulegen, eine Liste von allgemein kartenwürdigen Features (Waldflächen, Wege, Wasserläufe, Bebauung), die zu sagenwirmal mindestens 80 Prozent gemappt sein sollten, bevor man sich der Farbe der Rückenlehnen von Sitzbänken zuwendet.

–ks

Man kann den Leuten nicht vorschreiben was sie zu mappen haben. Für mich sind “traditionelle” Themen wichtig, also Hausnummern (Gebäude nur so grob, dass man weiß dass da ein Haus steht, aber ohne jetzt jede Gartenhütte und jedes Planschbecken zu mappen), Straßen mit Geschwindigkeits- und sonstigen Beschränkungen, daneben aber auch z. B. Telefonzellen, Briefkästen mit Leerungszeit und ref, oder auch Rettungspunkte. Andere Leute setzen andere Prioritäten und bevorzugen es z. B., Hydranten einzuzeichnen. Das kann man ihnen m. E. nicht verbieten.

Was Frederik nicht erwähnt hat, dabei weiss er es viel besser als ich, ist das der Erfolg von OSM (historisch) sehr wahrscheinlich genau darauf beruht, dass einerseits OSM selbst keine auf eine bestimmte Zielgruppe spezialisiertes Projekt ist, anderseits man sich themenspezifisch trotzdem austoben kann wenn man so will.

Ich gehe auch davon aus, dass bei den ach so bösen Eisenbahn- und Strommapper, die Heimatgegend sehr wohl super gut gemappt ist. Ich sehe jetzt überhaupt kein Grund zu verlangen, dass zuerst X gemappt werden muss bevor unabhängiges Feature Y erfasst werden darf.

Nein, man kann die Mapper zu nichts zwingen.

“Erst wenn X gemappt wurde, darf Y gemappt werden” halte ich für Unsinn. Wenn es sich um Daten handelt, mit denen OSM grundsätzlich etwas anfangen kann, sollte man nicht anfangen die Mapper da bevormunden zu wollen. Aber grundsätzlich muss man eine Grenze ziehen, welche Daten eben sinnvoll sind und welche nicht. Natürlich @lutz überlässt man das erstmal dem Augenmaß des Mappers und vertraut ihm. Aber bei so vielen Menschen, die an diesem Projekt mitarbeiten, hat eben nicht jeder Augenmaß und irgendwann kann man nicht mehr jeden einfach gewähren lassen. Wir revertieren aus gutem Grund, wenn jemand erfundene Städte einträgt. Und wir revertieren (bzw. würden das tun) aus gutem Grund, wenn jemand die Grenzen des Skythenreichs einträgt. Vielleicht sollten wir aus gutem Grund revertieren, wenn jemand die Grenzen der DDR einträgt. Vielleicht nicht. Aber irgendwo müssen wir diese Grenze ziehen. Nicht exakt, aber genauer als sie bis jetzt gezogen ist. Denn existieren tut sie ja schon, egal wie oft mancher behauptet es müsse sie nicht geben.

Und zum Thema Eisenbahn/Wasserstraßen/Strominfrastruktur: Dass hier so viel toleriert wird und so viel tolerierbar ist, liegt vor allem daran, dass es andere meist wenig stört. Eisenbahninfrastruktur ist räumlich von anderen Dingen getrennt, Wasserstraßen ebenso. Solange ich daran nichts ändern will, ist alles in Ordnung so weit. Oberirdische Stromleitungen sind zumindest sichtbar und relativ wenige, so dass man damit leben kann. Wenn mitten durch den Ort, den ich bearbeiten will aber plötzlich 20 historische Grenzen und dazu noch ein paar dutzend aktuelle, kleinteilige Grenzen (wie Schul- oder Kirchbezirke) verlaufen, dann stören die mich aber eben doch ganz massiv. Und es hilft eben nicht, die durch den Editor irgendwie leicht ausblenden zu können, denn die Daten stehen ja in Beziehung zueinander. Wenn ich jetzt ein Gebäude verschiebe, weil der, der es eingezeichnet hat, das Luftbild falsch ausgerichtet hatte, dann kann es sein, dass ich die Grenze mitverschieben müsste (weil der, der sie eingetragen hatte, keinen exakten Verlauf hatte, aber wusste, dass das Gebäude auf dieser Seite der Grenze sein muss) oder es kann sein, dass die Grenze da bleiben muss (weil sie eben doch exakt da eingezeichnet wurde). Und diese Entscheidung kann ich nicht treffen, wenn die Grenze mir gar nicht angezeigt wird, aber ich kann sie auch nicht treffen, wenn sie mir angezeigt wird, ich aber keine Informationen über den tatsächlichen Grenzverlauf habe.

Ich auch. Deshalb habe ich das auch nicht geschrieben. Ich halte es aber auch nicht für sinnvoll, die Länge von Halbschranken zentimetergenau zu erfassen, bevor der Wald, in dem der BÜ liegt, überhaupt in der Datenbank ist.

–k

Zu dieser Revolution der europäisch-amerikanischen Geschichtsschreibung hätte ich gerne paar mehr Details!
scnr :stuck_out_tongue: :smiley:

Geht es hier noch um Admingrenzen? Ich glaub das Thema ist längst abgeschweift…

Um Admingrenzen ging es gar nicht, eher um Wahlkreis-, Schulbezirk-, Bistums- und sonst noch welche -grenzen.
Das führte schnell zur Grundsatzdiskussion, was überhaupt in OSM gehört.

“Vorschriften” halte ich für illusorisch, weil sie nicht durchsetzbar sind, solange es nicht etwa so viel Kontrolleure wie Mapper gibt :O.

“Overlay-Daten” wie Pilzstandorte ohne Wechselwirkung zu anderen OSM-Daten kleistern zwar irgendwann das Editor-Bild zu, lassen sich aber relativ einfach ausfiltern. Andererseits lassen sie sich aber auch komplikationslos in getrennte Datenbanken auslagern.

Für viel problematischer halte ich die Spezialdaten wie z.B. Kirchbezirke, die in Beziehung zu “echten” OSM-Daten wie Häusern und Straßen stehen. Die müsste ich z.B. bei Offset-Korrekturen mit anfassen bzw. die werden nolens volens mit angefasst, wenn sie Knoten und Linien gemeinsam haben.
Und dummerweise kann ich gerade die deswegen auch nicht problemlos in eine getrennte DB auslagern.
Diese Daten beeinflussen das Mappen nicht unerheblich und von daher kommt auch das Anliegen, diese Datenart nicht ins Uferlose wachsen zu lassen.
Mehr als ein Anstoß kann die Diskussion hier sowieso nicht sein.

Es ging hier eigentlich NIE um Admingrenzen. Diese sind nämlich “zulässig” und bedarfen keiner Änderungen.
Es geht Frederik (und auch mir) wohl um all den anderen Beifang, der da sonst noch mit type=boundary, boundary=killefitt rumschwirrt.

Gruss
walter