"Investigatives" Mapping

Ich würde gerne Mal eure Meinung zu einer Mapping-Art hören, die ich bereits ein paar Mal angewendet habe, ich nenne das Mal “investigatives” Mapping. Am besten erkläre ich das Mal an Hand eines Beispiels.

Ich bin auf ein komplett ungemapptes Dorf in Russland gestoßen. Das Dorf hat, am Satellitenbild erkennbar, nur drei Straßen, die sind dafür aber ziemlich lang. Außerdem ist eine Schule mit Schulhof zweifelsfrei erkennbar. Also trage ich erstmal die Straßenverläufe ein.
Auf Yandex, dem russischen Google, suche ich nach der Schule in diesem Dorf. Die Schule hat eine Website, wo ihre Adresse angegeben wird. Außerdem gibt es dort Bilder von der Schule, die mir zeigen, dass ich die Schule auf dem Luftbild korrekt lokalisiert habe. Also trage ich das auf OSM ein. Außerdem trage ich den Namen der Straße ein, an der die Schule liegt. Durch ihre Lage kann die Schule nur an dieser einen Straße liegen.
Dann suche ich die Website der Gemeinde. Dort finde ich ein Bild vom Rathaus. Dieses kann ich mit Hilfe des Satellitenbildes ebenfalls geolokalisieren und trage das ein. Auf der Webseite steht auch die Adresse des Rathauses. Also gebe ich auch den zweiten Straßennamen auf OSM ein, weil ich mir aufgrund der Lage wieder sicher bin, dass das Rathaus nur an dieser einen Straße liegen kann. Zu guter letzt finde ich auf der Website noch einen Hinweis dass die Kirche des Dorfes renoviert wurde, inkl. Adresse der Kirche. Die Kirche ist auf dem Satellitenbild klar als solche erkennbar. Also kann ich auch den Namen der dritten und letzten Straße eintragen.

Auf Flickr finde ich dann noch ein aktuelles Bild vom Rathaus, wo man auch das Nebengebäude sieht, in dem sich offensichtlich ein kleiner Supermarkt befindet. Auch der wird von mir auf OSM gestellt. Zu guter letzt kann ich auf dem Satellitenbild erkennen, dass sich am Ortsausgang eine Tankstelle befinden muss. Mittels einer Suchmaschine finde ich heraus, dass das auch korrekt ist, und erfahre nebenbei, dass die Tankstelle zur Kette “Lukoil” gehört. Trage ich auch ein.

Nach 20 Minuten Mapping und Recherche, habe ich jetzt also die wichtigsten öffentlichen Gebäude, alle Straßennamen, einen Laden und eine Tankstelle gemappt - ohne bisher selbst in dem Dorf gewesen zu sein.

Jetzt würde ich gerne wissen wie ihr sowas findet, speziell bezüglich der Lizenz? Geht ihr selber auch manchmal so vor? Kann ich sowas weiter machen?

Solches “data mining” ist rein rechtlich gesehen völlig in Ordnung. Fakten sind nicht urheberrechtlich geschützt und die Schulwebseite und die Webseite der Gemeinde sind keine Datenbanken.

In praktischer Hinsicht können aber natürlich auch, wenn man sich 100% sicher ist, immer Fehler auftreten, wenn man nicht vor Ort war und sich das ganze nicht mit eigenen Augen angesehen hat. Deswegen sollte man da immer behutsam und vorsichtig sein.

Ja, das versteht sich natürlich von selbst. Im Zweifelsfall trage ich bei sowas auch lieber nichts statt etwas Falschem ein.
Mein Hauptbedenken lag/liegt eben beim Lizenzrechtlichen und wie weit man da gehen kann.

Ich habe z.B. mal ein GoPro-Video von zwei Radfahr-Touristen auf YouTube gesehen, die durch eine sehr schlecht gemappte Kleinstadt im Kaukasus gefahren sind. Da das Video eine ziemlich hohe Qualität hatte, waren Straßenschilder gut lesbar und die Route durch die Stadt konnte ich auch genau geolokalisieren. Da habe ich aber nichts eingetragen, weil ich mir nicht sicher war ob das rechtlich in Ordnung geht.

Ich habe beim Erfassen von Autogas-Tankstellen mal telefonisch investigatives Mapping betrieben. Die Anhaltspunkte hatte ich schon aus einer Datenbank, hab aber jeweils da angerufen und gefragt, ob sie immer noch Autogas haben :slight_smile: ist faktisch dasselbe wie Vor-Ort-Survey, aber sehr viel schneller, günstiger und umweltfreundlicher. Plus dem Bonus, dass die Tankstellen eine Rückmeldung über die Autogasnachfrage bekommen.

In England bin ich da mal auf eine Tanke gestoßen, deren LPG-Zapfsäule auf unbestimmte Zeit defekt ist, und eine andere, die es gerade vor zwei Monaten abgeschafft hatte :frowning: so war OSM auf einmal aktueller als alle anderen Quellen.

–ks

Grundsätzlich, finde ich, ist jedes “Zeitung lesen”, meißt online, und die Erkenntnis, das ist OSM-relevant, “investigatives” Mapping. Natürlich erst dann, wenn im nächsten Schritt Geolocation, genaue Maßnahmen (wie z.B. Abriss von Gebäuden, Neubaugebiete, neue POI) und aktueller Stand recherchiert werden. Dann können, auch ohne vor Ort sein zu müssen, bestimmte bauliche Änderungen und neues Tagging vorgenommen werden. Eine neue Baustelle würde ich dann nur, weil unwissend wegen genauer Maße, ein note hinzufügen und ggf. ein Hinweis-Node. Da wir im allgemeinen nur den aktuellen Zustand mappen, kann man sich eigentlich meißt Nachfragen ersparen (Nur dumm, das man kein aktuelles Luftbild hat). Wichtig wäre, wenn man was angefangen hat, es auch zu Ende zu führen.
Allerdings weiß ich, aus eigener Erfahrung, kann man das nicht immer zeitnah umsetzen und es bleiben doch zig “Baustellen” liegen, die doch schon viel weiter sind.

P.S. Ich weiß, Maturi0n bezieht sich auf’s Mapping im Ausland, was ungleich schwieriger ist, dies ggf. zu recherchieren. Aber auch inländisch muss man immer “am Ball bleiben”.
Apropos Lizenz: Ich denke, die freie Schrift innerhalb von Zeitungsmeldungen ist lizenzfrei, wenn man nur die eigentliche Information nutzt, um weitere “offene” Quellen zu finden und dann die Info umzusetzen.

Die juristische Seite kann ich nicht beurteilen. Ich habe Ähnliches auch schon gemacht, z.B. in Anould (Frankreich), aber auch schon beim Mapping in Deutschland – auch hierzulande muss man Informationen manchmal sehr mühsam zusammensuchen und durch andere Quellen gegenchecken … :wink:

Ich habe es mit Щучье versucht, aber außer der Kirche konnte ich nichts finden.

Ich habe einmal aus einem Musikvideo die Position eines Briefkastens erfasst :sunglasses:

Was denkt ihr davon, eigene Familie und Freunde fürs Kartieren auszunutzen? Ich habe so was schon gemacht und entsprechend im source-Tag des Änderungssatzes vermerkt:

  • source=2nd hand local knowledge da, wo mir jemand einfach seine Ortskentnisse mitgeteilt hat;

  • source=2nd hand survey da, wo jemand speziell auf meinen Wunsch gegangen ist und die benötigten Merkmale notiert hat.

Vor vielen Jahren sagte mein Lehrmeister:

"Mause was du kannst - mit deinen Augen - das ist lernen."

Schöne Geschichte! So ähnlich mach ich das auch, wenn ich per Zufall irgendwas interessantes auf Luftbildern oder in Zeitung / TV / Internet seh, das noch nicht gut gemappt ist. Da versuch ich dann, mehr herauszufinden. Websites von Firmen und Gemeinden benutz ich hauptsächlich um Adressen zu vervollständigen. Namen von Kirchen kann man auf den Seiten der Pfarreien / Bistümer finden. Mapillary ist in manchen Gegenden eine gute Quelle für Läden und andere Details.
Ich versuch das dann auch alles im Changeset als source anzugeben.

Das ist ja genial, wenn deine Leute da mitmachen :slight_smile:
Und die source-tags finde ich gut passend.