Importe, Grundsatzdiskussion

Hallo,

weil sich abzeichnet, dass wir für Sachsen über einen Adressimport reden werden, möchte ich gern mal grundsätzlich die Frage stellen: Was für Importe kommen überhaupt in Frage?

Also nehmen wir mal an, wir kriegen “alles” von den Amtlichen - Grenzen, Flurstücke, Grundstücke, Straßen (mit Breite), Hausumringe, Adressen, Baumkataster, Standorte von Verkehrszeichen und Mülleimern, was immer die eben haben. Und angenommen, wir dürften das alles importieren.

Was davon würden wir denn importieren wollen? Alles? Oder ziehen wir irgendwo eine Grenze?

Mein Standpunkt war bisher immer der, dass Importe dort zulässig sind, wo wir es auch ohne schaffen würden. D.h. wenn wir irgendwo vor Ort eine Community haben, die eifrig Häuser vom Luftbild abmalt und voraussichtlich in 3 Monaten auch damit fertig wird, und wir kriegen dann eine Datenspende angeboten, die es dieser Community ermöglicht, besser und schneller zu arbeiten - super. Wenn wir aber vor Ort gar keine Leute haben, die auch nur ansatzweise in der Lage wären, die Gebäude alle abzudigitalisieren, weder in 3 Monaten noch in 3 Jahren, dann sollten wir auch nichts importieren - es wird dann nur vor sich hinrotten und von niemandem gepflegt werden.

Deswegen sehe ich auch die diversen Jubel-Hausimporte in den USA sehr kritisch (wo drei Aktive in einer Millionenstadt die Häuser importieren) und bin ebenso wenig begeistert davon, wenn nach einer Datenfreigabe ein Power-Mapper eine Woche Urlaub nimmt, um so viel wie möglich in OSM hineinzuklopfen. Ich möchte “nachhaltiges” Wachstum - ich will nicht den Sprint, sondern den Marathon. Ich möchte eine Datenbank, die über Jahre von Leuten aufgebaut wird, die mit dem Herzen bei der Sache sind und die sich dann auch ein Stück weit verantwortlich fühlen. So kann ich hoffen, dass auch bei künftigen Änderungen genug Arbeitskraft und -wille vorhanden ist, die Daten aktuell zu halten. Ein übermenschlicher Kraftakt mit anschliessender Erschöpfung macht optisch vielleicht was her, aber langfristig hilft er uns nicht. Ebenso denke ich über Importe.

Auf der anderen Seite sollen alle Mapper ja auch Spass bei der Sache haben, und wenn ich einem sage, er soll bitte schön weiter Hausnummern mappen, wenn auf der anderen Seite ein Angebot zur Datenbereitstellung durch die Amtlichen exisitert, kann er ja auch leicht die Lust verlieren…

(Natürlich sind Importe auch nicht Null Arbeit, schliesslich müssen Daten mit dem verglichen werden, was schon existiert, und immer korrekt sind die Amtlichen ja auch nicht, wie wir wissen. Aber mir ging es hier erstmal um die grundsätzliche Frage.)

Bye
Frederik

Hallo,

ich schnappe mir jetzt einfach mal das Beispiel Sachsen, da das in greifbarer Nähe zu sein scheint.

In den großen Städten, wo die Community stark ist, ist das Amt zu spät. Dort sind alle Gebäude und viele Hausnummern schon da, dort kann man nicht mehr importieren. Auf dem Lande, wo es meist keine Häuser in OSM gibt und auch keine Hausnummern, dort ist die Community schwach. Wenn wir dort importieren, schaffen wir amerikanische Verhältnisse. Alles scheint vollständig, kein Neuling hält es für nötig, mit dem Mappen zu beginnen und alles gammelt vor sich hin.

Das trifft eigentlich auch für andere Bundesländer als Sachsen zu.

Wir haben uns in den vergangen Jahren damit abgefunden, dass die Ämter uns nichts geben wollen (oder dürfen oder können). Daher haben wir uns gezielt um Adressen gekümmert. Eine ganze Reihe an Aktionen und unterstützenden Tools wurde dafür entwickelt, z.B. die Hausnummernauswertung von Dietmar, ein Bereich im OSMI, der Aufruf von Frederik 1000 Hausnummern zu mappen usw. Die Ämter sind jetzt eigentlich zu spät dran.

Der einzige Nutzen von solchen Datenfreigaben sehe ich darin, dass wir die Daten zur Validierung und Ergänzung nutzen. So gesehen, war Maps4BW das beste, was uns passieren konnte. Das LGL-BW speist und mit ein paar Krümeln ab, wir bekommen unser ideales Feindbild [1] und wachsen weiter.

Ich bin daher dagegen, dass nicht ortsansässige Mapper mit zu viel Freizeit jetzt sich einen Landkreis im hintersten Sachsen schnappen und diesen per Sesselmapping mit Hausumringen und Adressen beglücken. Wenn das ein lokaler Mapper macht, der noch rausgeht und seine POIs mappt und pflegt, ist das ok. Aber wenn das einer aus $Metropole macht, dann schadet das mehr, als dass es nützt.

Interessanterweise werde ich mir als Eisenbahnmapper in den nächsten Monaten auch diese Frage stellen müssen. Die Entwicklung bei der Deutschen Bahn (Open-Data wird vom Vorstand gutgeheißen!) kann es mit sich bringen, dass wir in 12 Monaten plötzlich ein Shapefile mit allerlei Bahndaten haben. (Derzeit gehört es noch dazu, dass man zum Mappen rausgeht und entlang von Bahnstrecken wandert oder mit der Bahn fährt)

Viele Grüße

Michael

[1] Im Geschichtsunterricht habe ich mal gelernt, dass man eine Gruppe gut zusammenhalten kann, wenn man ihr ein starkes Feindbild gibt.

Ich würde es genau anders herum sehen. In Gebiete, wo seit längerem niemand aktiv ist, die also unvollständig/veraltet sind, würde ich eher importieren. Klar können da auch nochmal Mapper auftauchen und das fehlende nachholen, aber wir haben eine starke Kluft zwischen (Groß-)Städten und ländlichem Gebiet.

Eine lokale Community sollte entscheiden, ob/was sie importieren würde. Ein Baumkataster würde ich eher importieren, weil ich die nicht alle aussuchen will, während ich die Daten, die wichtiger sind oder wo die Datenqualität unklar oder schlecht ist, nicht importieren würde (bei uns werden die Hundekottütensammler und Streukisten öfters umgesetzt.

Ganz wichtig ist für die mich die Kennzeichnung der Daten als “importiert” und bitte beim einzelnen Datenobjekt, nicht nur im Changeset, das wäre zu unscharf. Mit so einer Kennzeichnung können dann sowohl die Mapper als auch Auswerteprogramme eine Qualitätssicherung durchführen.

Zu den Adressen im speziellen: in Augsburg haben wir 98% der Adressen vor Ort ermittelt und erfasst. Bis auf 99% würden wir es schaffen, das 1% bleibt übrig, wo der Sollzustand nicht vor Ort nachvollzogen werden kann (noch nichts gebaut, fehlende Hausnummer, andere Hausnummer). Wir haben auch 1% mehr Adressen als die offizielle Liste, obwohl die auch die vergebenen Hausnummernn eigentlich in der Liste haben. Ich weiß nicht, ob die Qualität überall gleich ist. Bei 2% Unterschied ist die Frage, ob das 3 Jahre lange rumlaufen sich gelohnt hat, ich denke ja. Ich bin ziemlich rumgekommen, habe viele Ecken kennengelernt und natürlich auch Geschäfte, Briefkästen usw. mit erfasst, auch Gebäudeeingänge.

Wir werden die Importe nicht verhindern können, wir sollten sie aber möglichst gut steuern und begleiten und die importierten Daten identifizieren können.

viele Grüße

Dietmar

“Den gegrillten Ochsen ißt man nicht am Stück, sondern man schneidet ihn in kleine Scheiben. Und wenn es keine Abnehmer (mehr) für die Scheiben gibt, dann hält man den Ochsen erstmal nur warm.”

Genau das sollte dann, wenn überhaupt, auch die Import-Strategie sein.

Gruß Klaus

Bei allen Importen gilt für mich: die lokalste Community muss zustimmen, mindestens kleiner als Bundesland. Gibt es die nicht, dann gibt es auch keinen Import.

Lokal erfasste Daten haben immer Vorrang vor importierten Daten. Kein blindes Überschreiben von handgemappten Daten.

Striktes befolgen der Import Guidelines / MeCoC .

Schöne Umschreibung.

Ich bin mir ehrlich gesagt nicht so sicher ob eine schlechte Datenqualität anziehender ist für Leute mitzuarbeiten als eine gute. Für wichtiger halte ich es, dass es keinen richtigen Workflow gibt ob Daten (noch) stimmen. Für Anfänger ist es zu schwer mit Overpass turbo rumzuhantieren.

Meine Erfahrung mit Waldwegen in amtlichen Papierkarten sagt mir, dass es völlig naiv wäre, hier irgendetwas zu übernehmen. Konkret in Brandenburg werden bisweilen “Hauptwirtschaftswege” ausgewiesen, wo vor 25 Jahren die letzten Panzer durchgefahren sind und jetzt einen halben Meter tief das Wasser steht - oder eineinhalb Meter hoch die Brombeeren. Jegliche Fremddaten nutze ich nur, um Anregungen zu holen, wo noch etwas zu suchen sein könnte. In NRW bin ich mit unkritisch abgepinselten Wegen schon böse reingefallen.

Sofa-Importe ohne Verifizierung vor Ort lehne ich daher ab. Lieber drei Jahre länger “on the ground” arbeiten als in drei Wochen mit Importen eine Illusion von “Vollständigkeit” zu schaffen. OSM hat in Deutschland wahrscheinlich mehr “Vermesser” draußen als die Landesvermessungsämter. Mit diesem Pfund sollte OSM wuchern.

Dieser Meinung schließe ich mich an. Ich sehe in Deutschland für Datenspenden nur den Weg diese zum Vergleich zu nutzen, aber einen Import lehne ich ab. OSM ist keine Müllhalde für Daten Dritter. Wenn ich die Daten des Dritten sehen möchte, kann ich dessen Dienst nutzen. Wichtig ist, dass man die Freigabe erhält um ausschließlich mit lokalem Wissen die OSM-Daten manuell zu verbessern.
Beispiel: Ich erfasse vor Ort auf Papier eine Gegend, die im Bingluftbild schlecht zu erkenen ist. Nachdem ich mir vor Ort ein Bild gemacht habe, sitze ich mit meinem Wissen vorm PC und weiß dank des schlechten/schattigen/unscharfen Bingbildes nicht, wo ich die Gebäudeumrisse genau zu positionieren habe. Es würde mir dann eine Freude sein, die entsprechenden Gebäudeumrisse von einer erlaubten Quelle manuell zu übernehmen. Edit: Schlechtes Beispiel: Gerade gelesen, dass für Sachsen keine Gebäudeumrisse zur Diskussion stehen. Bleiben nur Verwaltungsgrenzen, die sieht man in der Natur sowieso so schlecht. Hausnummern sollten besser manuell geprüft werden und nicht blind importiert werden.

Ich würde mich ja grundsätzlich freuen, zunächst einmal die Luftbilddienste (Echtfarben und CIR; hier in Brandenburg die DGM1-Dienste als Mapping-Grundlage (nicht Import) nutzen zu dürfen, da die Luftbilder anhand DGM1 lagekorrigiert sind und schon bestechend sauber in Lage und Bildqualität sind. Bei weiteren Dingen würde ich sehr stark differenzieren und auch hier Importe wo es geht tunlichst vermeiden…

Nun die Gebäudeumrisse aus dem ALKIS stimmen ganz gerne nicht mit der Luftbildsituation überein… vor allem weil nicht alle Gebäude katastermäßig eingemessen sind, oder überhaupt in der Gebäude-Ebene von ALKIS vorhanden sind. Auch Nutzungsarten stimmen äußerst gerne mal nicht…

Bei den Admingrenzen würde eine Lagekorrektur der in OSM erfassten Grenzen auf Basis der in einschlägigen Diensten verfügbaren Grenzen gut tun. Damit tlw. einhergehend: Schutzgebietsgrenzen, die sich sehr gerne die Grenzem mit admin-Grenzen teilen…

Als Mappinggrundlage (nicht Import!!!) fallen mir noch einige andere WMS-Dienste ein: Schutzgebiete, Admin-Grenzen, WMS-Dienst des LS zum Straßennetz in Brandenburg…

Sven

Ich stimme da @woodpeck voll zu, es steht und fällt mit einer aktiven Community vor Ort. Die können auch Importe nicht herbeizaubern.

In Rostock hatten wir mit dem Gebäudeimport sehr gute Erfahrung, in einer Zeit als an Luftbilder noch nicht zu denken war. Die Gebäude wurden mit jeder neuen Datenquelle durch die Mapper immer weiter verbessert.

Ich würde noch gerne ergänzen, dass auch die Daten von Importen Fehler haben, von daher sollte von Ortskundigen unbedingt vorher ein Review gemacht werden, ob die Qualität für die lokale Community überhaupt angemessen erscheint. Auch wäre es schön, wenn es ein Prozedere für Rückmeldungen gibt, dann haben auch die Spender zumindest die Möglichkeit das bei der eigenen Qualtätssicherung zu berücksichtigen. Vielleicht kann man da an einem einheitlichen Tool arbeiten?
Darüber hinaus sind natürlich die üblichen Probleme bei Imports zu bedenken (unterschiedliche Definitionen bei OSM und Spender, Projektionen, Vollständigkeit, …) und auch, ob der Spender evtl. weitere Probleme bekommen könnte (Nachfragen durch Datennutzer, Gewährleistung, …).

Oft wird auch nicht bedacht, dass die Daten einen Lebenszyklus haben. Das heißt irgendwann möchte man u.U. aktuellere Daten (nochmal) importieren und da sind dann schon viele (importierte) Objekte in OSM. In Rostock wurde nach Diskussion zum Bespiel die Straßenleuchten aus OpenData übernommen, was zwar ganz hübsch für 3D ist, aber sich wahrscheinlich nicht einfach so aktualisieren lässt. Alles nicht furchtbar schlimm, aber vielleicht sollte das deutschlandweit schon etwas mehr berücksichtigt werden, wenn erfreulicherweise immer mehr Kommunen und Firmen ihre Daten freigeben :slight_smile:

Brauchen wir eine Unterscheidung zwischen Daten, die man selbst erheben kann (Straßenlage, Straßenname, Briefkastenpositionen,…) und denen, die nicht so einfach OTG erkennbar sind (Admin-Grenzen, Schutzgebiete, PLZ-Gebiete)?

Ich würde das sinnvoll finden, prioritär die nicht-OTG-Daten zu importieren, denn die kriegen wir eh nur aus Fremdquellen.

Es gibt für diese “nicht-OTG” Daten eben einen anderen “ground”, auf dem man sie erheben kann, d.h. die jeweilige maßgebiliche Verordnung / Gesetz / Vertrag etc. die das Gebiet oder die Grenze festlegen. Was die Ämter dann in ihren GIS-Daten haben ist deren Interpretation der Gesetzesgrundlagen.

“PLZ-Gebiete” gibt es wohl gar nicht in Deutschland, jedenfalls nicht primär, man kann natürlich versuchen, aus den vorliegenden Punktdaten (Adressen) Gebiete durch Zusammenfassen von Adress-Punkten mit gleicher PLZ zu bilden, und das wird meistens auch irgendwie funktionieren. Wie sinnvoll das ist, sowas in den Daten (und nicht in irgendeiner Auswertung der Punktdaten) direkt zu speichern, würde man bei Bedarf nochmal diskutieren können.

Ich sehe das Thema grundsätzlich so: Wo wir eine aktive Community vor Ort haben brauchen wir mittlerweile im Prinzip keine Importe mehr, weil da bereits die Dinge gemappt sein dürften, wobei es schon noch Zeugs gibt, das wir nicht flächendeckend haben, z.B. Geschoss-informationen und andere Höhenangaben von Gebäuden, oder Namen kleinerer Fließgewässer in wenig gemappten Gebieten. Zum Abgleich als Anregung, wo man nochmal hinfährt, sind externe Daten natürlich auch immer gut, aber das gilt wohl eher nicht als Import (darf man im Prinzip unabhängig von der Lizenz heute schon überall). Wenn also irgendwo Daten auftauchen, die man jetzt nutzen darf, und die noch Nutzen haben, würde ich es der örtlichen Community freistellen, die auch zu nutzen, und wo es keine örtliche Community gibt würde ich das auch kritisch sehen, wenn das ein ortsfremder machen würde.