Mit dem Pauschalurteil “Ich kann mir nicht vorstellen…” tust Du den Kollegen des Heidelberger Beirates von Menschen mit Behinderungen unrecht, die die entsprechenden Daten mit großer Sorgfalt erfasst haben. Über die Bewertungskriterien, wann z.B. ein Supermarkt voll rollstuhlgerecht ist, kann man sicher streiten. Bevor ich mich mit dem Thema intensiver beschäftigt habe, konnte ich mir beispielsweise auch nicht vorstellen, dass ein Ort nicht schon allein dadurch voll rollstuhlgerecht ist, dass es am Eingang keine Stufe gibt, sondern dass beispielsweise bei einem Supermarkt auch weitere Dinge dazugehören.
Z.B. ist die Durchfahrtsbreite an den Kassen ein Kriterium, die Höhe der Bedienelemente am Leergutautomaten und die Höhe des EC-Kartenlesegerätes. Letztere sind beispielsweise in der Regel in einer Höhe angebracht, die für nicht behinderte Menschen bequem bedienbar ist. Jedoch sind die Geräte oft nur schwenkbar, aber nicht höhenverstellbar. Was macht der Rollstuhlfahrer also, wenn er mit EC-Karte bezahlen möchte? Er verrät wildfremden Menschen seine PIN, um zu bezahlen. Genauso übrigens wie am Geldautomaten, vgl. https://youtu.be/I13yL8ygwhk?t=4m1s
Wie beantwortet man demzufolge also beispielsweise beim ALDI Ziegelhausen (http://www.heidelberg.huerdenlos.de/index.php?id=980&huerdenlos[module_ratings][action]=detail&huerdenlos[module_ratings][dbid]=3432) die Frage danach, ob ein Ort voll rollstuhlgerecht ist, und zwar aus der Sicht eines tatsächlichen Betroffenen, und nicht aus der Sicht derjenigen, die sagen: “das ist am Eingang keine Stufe, so wie bei jedem 08/15 ALDI, also ist der Ort 100% barrierefrei, etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen”? Sollte ein Rollstuhlfahrer in einem Supermarkt in der Lage, sein selbstständig den Leergutautomaten zu bedienen und alleine seine PIN am EC-Kartenlesegerät eingeben können? Wie würdest Du in diesem Fall bewerten, wenn Du selbst betroffen wärst? Jemanden Fremdes seine EC-PIN verraten ist für die meisten Menschen ein absolutes No-Go.
Nun kann man sicher darüber diskutieren, wann man ein wheelchair=yes und ein wheelchair=limited setzen soll und welche Kriterien (es gäbe noch weitere) dafür erfüllt sein müssen. Da das Thema sehr komplex ist, haben sich die Kollegen der Wheelmap dafür entschieden, die Erfassungskriterien einfach zu halten, um die Einstiegshürde für Freiwillige, die mitmachen wollen nicht ähnlich hoch zu setzen, wie beispielsweise die Einstiegshürde für Datenimporte in der OSM. Würde man nämlich den interessierten Freiwilligen da ebenso erstmal 6 A4 Seiten Text vorsetzen, wäre es wesentlich schwieriger Freiwillige zum mitmachen zu bewegen und vermutlich wären dann (z.B.) in der Region Heidelberg deutlich weniger als die bereits ca. 60% (http://k1z.blog.uni-heidelberg.de/2015/12/01/support-fur-wheelmap-mapmyday/) der für Wheelmap relevanten Orte bewertet.
Die Kollegen, die hinter Heidelberg Hürdenlos stehen, haben mehr und strengere Kriterien für Rollstuhlgerechtigkeit angelegt, als diejenigen, die pauschal urteilen “jeder 08/15 ALDI ist barrierefrei”. Dies hat zur Folge, dass viele Bewertungen schlechter ausgefallen sind, als sie zuvor auf OSM getaggt waren. Ein Urteil darüber, welcher Bewertungsmaßstab diesbezüglich der richtige ist, möchte ich mir als Nicht-Betroffener und Nicht-Experte in dem Thema nicht anmaßen.
Ich hoffe, dass ich Dir mit meinen Ausführungen nahe legen konnte, warum nicht jeder “08/15 ALDI” pauschal als barrierefrei angenommen werden kann.
Ich gebe Dir recht, dass man darüber vorher hätte diskutieren können. Ein Grund, warum wir dagegen entschieden haben, ist die Komplexität des Themas und wahrscheinlich nicht endend wollende Diskussion mit (Nicht-)Experten darüber. Möglicherweise war das ein Fehler.