Bevor ich zum Inhaltlichen komme kurz zu mir:
Ich war am 23.10. vom Brockengipfel über den Hirtensteig und die Hermannsstraße “abgestiegen” und hatte mich unterwegs schon gefragt, woher am Nordhang des Brocken die Differenz zwischen der auf meinen Smartphone (Programm: “Locus” unter Android) abgespeicherten Karte von OpenAndroMaps (OSM-basierte “vector based cyclemaps” → http://www.openandromaps.org/)) und der Realität vor Ort wohl kommt…: Die Karte kannte viele (nicht als gesperrt gerenderte) Wege, die in der Realität nicht vorhanden/sichtbar oder jedenfalls nicht ausgeschildert und damit nicht begehbar sind. Umso überraschter war ich, als ich bei der “routinemäßigen” Nacharbeit zu Hause am 24.10. auch manche in der Natur offensichtlich vorhandene (aber nicht markierte, aber auch nicht vor Ort gesperrte) Wege “plötzlich” überhaupt nicht mehr in OSM finden konnte… Da dämmerte mir, dass ich mich hier im Nationalpark wohl erst einmal etwas besser informieren sollte, bevor ich an die OSM-Daten gehe, und so stieß ich auch auf diese Diskussion. Da die Diskussion zu diesem Zeitpunkt mit dem Vandalismus-Vorwurf und dem Revert ziemlich emotional war und ich selber beruflich im Naturschutz (in Thüringen) tätig bin, habe ich mich erst einmal zurück gehalten und nur mit gelesen und daneben recherchiert. Und das war auch gut so, ich habe aus dem thread viel gelernt (danke dafür!) und würde mich heute über meine erste spontane Reaktion ziemlich ärgern, wenn sie hier im thread stünde…
Aufgrund der Argumente hier und meiner Recherchen habe ich mir am 28.10 erlaubt, auch ohne Diskussion die von SunCobalt wieder hervorgeholten Wege insbesondere um den Tag “website” und einen Link zum Wegeplan 2011 der Nationalparkverwaltung zu ergänzen (und anhand der Bing-Luftbilder lokal stellenweise einen offensichtlich falschen Verlauf etwas zu korrigieren, auch wenn das ohne eigene Begehung grenzwertig ist). Nachdem SunCobalts Revert ziemlich einseitig war habe ich das getan in dem Bewußtsein, dass meine Ergänzungen auch schnell wieder untergehen könnten: Der Link zum Wegeplan war mir aber in der laufenden Diskussion gerade deshalb wichtig, weil dort die Rechtsgrundlagen für die Wegenutzung im Nationalpark Harz erklärt bzw. auch gleich verbindlich konkretisiert werden. Das ist das Changeset, auf das SunCobalt in seinem Post Nr. 91 am 30.10. hingewiesen hat - ich wollte das auch hier erläutert haben, bin aber bis jetzt nicht dazu gekommen. Mit dem aktuellen Diskussionstand, und damit meine ich insbesondere die posts #92 von Oli-Wan und #95 von harzguide ist eine Erläuterung im Hinblick auf das m.E. anzustrebende Ergebnis auch fast schon erledigt, es bleiben eher Hintergründe und einige Bewertungen festzuhalten:
Die Rechtslage ist ganz klar und in Nr. 1 des Allgemeinen Teils des Wegeplans (download unter http://www.nationalpark-harz.de/de/downloads/gesetzliche_grundlagen/?we_objectID=967&refDID=3499)) auf Seite 6 erläutert. Zitat:
Im jeweils gleichlautenden § 12 des Gesetzes über den National-
park „Harz (Niedersachsen)“ (NPGHarzNI) vom 19. 12.2005
und des Gesetzes über den Nationalpark „Harz (Sachsen-
Anhalt)“ (NPGHarzST) vom 20.12.2005 ist festgelegt, dass
für das Gebiet des Nationalparks ein zweiteiliger Wegeplan
aufzustellen ist. Die Gesetze sind auf der Internetseite des Na-
tionalparks Harz unter „Wir über uns/ Gesetzliche Grundlagen“
einsehbar (www.nationalpark-harz.de); sie können als pdf-Datei
auch heruntergeladen werden.
Dort steht also auch, dass wir es bei den aktuellen Regelungen zum Nationalpark Harz mit zwei “bundesrepublikanischen” Regelungen aus dem Jahre 2005 zu tun haben, was schwierige Diskussionen um die Fortgeltung und den Rechtscharakter von übergeleitetem DDR-Recht (das klang hier mal an) hier entbehrlich macht: Nationalparke sind politisch oft so gewichtig, dass einige Länder das bewußt über ein vom Parlament beschlossenes Gesetz und nicht wie für Naturschutzgebiete üblich als Rechtsverordnung der Exekutive (Landesregierung oder Ministerium oder andere Behörde) regeln: Das war in Thüringen auch beim Nationalpark Hainich so, obwohl der erst lange nach der Wende ausgewiesen wurde. In der Tat empfiehlt es sich dann aber ob der Dauer und Schwierigkeit einer Gesetzesänderung, Einzelregelungen, die sich auch mal kurzfristig ändern können oder müssen, irgendwo anders zu treffen.
Und genau das machen die Nationalparkgesetze für den Harz, indem sie die konkrete Festlegung des Betretensrechts auf den Wegeplan “delegieren”, ich zitiere mal die sachsen-anhaltinische Fassung des Gesetzes von 2005 (download hier: http://www.nationalpark-harz.de/de/downloads/gesetzliche_grundlagen/#intNavBreadcrumb)):
Ҥ 6 Betreten
(1) 1 Das Betreten des Nationalparks ist nur auf entsprechend kenntlich gemachten
Wegen, Loipen und sonstigen Flächen erlaubt, soweit dieses Gesetz nichts anderes
bestimmt. 2 Die zulässige Art und Weise des Betretens richtet sich nach der
Kennzeichnung, die die Nationalparkverwaltung in Umsetzung von Teil II des
Wegeplans (§ 12) vornimmt.”
Erste kleine juristische Spitzfindigkeit dazu: Der Wegeplan verbietet nichts (da müßte er sich nämlich fragen lassen, woher er als einfacher “Plan” dieses Recht nimmt…), er erlaubt vielmehr durch seine Kennzeichnung erst das Betreten als Ausnahme aus dem allgemeinen Verbot in § 6 und § 21 (siehe unten) des Nationalparkgesetzes. Ohne kennzeichnung laut Wegplan keinen begehbaren Wege - die Nationalparkverwaltung und der Wegeplan tun für den Wanderer also nur Gutes, daher bitte nicht auf sie oder harzguide schimpfen ;-)…
Zweite kleine Spitzfindigkeit: Die zulässige Art und Weise des Betretens ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Wegeplan auf Papier, sondern “richtet sich nach der
Kennzeichnung, die die Nationalparkverwaltung in Umsetzung von Teil II desWegeplans (§ 12) vornimmt” - es gilt also nur das als gekennzeichnet, was draußen im Gelände als Weg, Loipe etc. auch tatsächlich gekennzeichnet ist. Formale Konsequenz: Wenn die Nationalparkverwaltung mit der Markierung an einem Weg wegen Überlastung nicht nachkommt - gibt es kein Betretensrecht…
Das ist zugegebener Maßen für den Normalbürger und -mapper “starker Tobak”, aber da hier im Thread z.T. juristische Argumente angeführt wurden, wollte ich das auch mal so ausführlich und eindeutig aus den rechtsgrundlagen heraus beantworten.
Wo ich dabei bin, möchte ich auch die Diskussion über “illegale” Daten und Datenerhebungen noch kurz juristisch beleuchten: Wer den Nationalpark außerhalb der zugelassenen Wege - das hatten wir gerade - oder sonstiger Ausnahmen (Stichwort: Förster etc., lange Liste) betritt, begeht nach § 21 des sachsen-anhaltinischen Gesetzes eine Ordnungswidrigkeit. Dieses Verhalten ist daher rechtswidrig - und nichts anderes heißt illegal halt übersetzt, auch wenn ich es umgangssprachlich auch eher mit Straftaten im Sinne des Strafgesetzbuches verknüpfen würde. Einige der bei OSM gespeicherten Tracks am Brocken lassen daher in der Tat den Verdacht (wir wissen es aus in der Diskussion schon angeführten Gründen nicht sicher…) aufkommen, dass sie unter Begehung einer Ordnungswidrigkeit gesammelt wurden. Das macht die so gesammelten Daten aber nicht illegal, weder das Nationalparkgesetz noch (meines Wissens) das allgemeine Ordnungswidrigkeitenrecht kennen z.B. Regeln zur Einziehung von Vorteilen (etwa Fotos oder Tracks die bei ordnungswidrigen Handlungen “erzielt” wurden - anders als etwa das “echte” Strafrecht. Es ist also wenig sinnvoll, in diesem Zusammenhang von “illegalen” Daten zu sprechen, zudem ist zu bedenken, dass selbst für eine Ordnungswidrigkeit nur ein Indiz, aber kein Beweis vorliegt - manche Wegebeziehungen lassen sich aus Besichtigung der Anfangs- und Endstücke sehr gut aus dem Luftbild einzeichnen, wenn hochauflösende nutzbare vorliegen, da braucht es keine vollständige Begehung - mache ich in Skandinavien zur Vor- und Nachbereitung des Urlaubs häufig, die dabei natürlich vorkommenden Fehler bei Verlauf und Oberfläche sind dort, wo sonst nichts auf der Karte wäre, leicht hinzunehmen. Ich halte es als persönliche Wertung auch für “unmoralisch” , unter definitiver Begehung einer Ordnungswidrigkeit gesammelte Datenb zu verwenden und würde danach keine Wege zeichnen - aber anders als ein Abzeichnen aus einer Karte “vergiftet” es den Datenbestand von OSM nicht, eine eventuelle Verfolgung und ein Bussgeld für eine Ordnungswidrigkeit hätten keine Auswirkung auf die dabei gesammelten Daten - sonst müßten wir jetzt alle Tracks von Straßen auf die Einhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzung prüfen…
So, es ist spät und der post ist schon lang - darf ich mit mehr Argumenten morgen abend oder Donnerstag weiter machen ?
Das gibt allen die Chance, jetzt “bloss nicht” zu schreien
Freundliches Angebot: Den juristischen Hintergrund habe ich auch durch, ab jetzt würde es konkreter auf OSM bezogen…
Danke und Grüße, SverigeFan