Hallo!
Ich bin einer dieser Mapper, die Landuse-Flächen grundsätzlich nur noch als Multipolygon erfassen, und bin ehrlich gesagt etwas erschreckt darüber, wie hier auf uns eingedroschen wird.
Ich muss vorweg sagen, dass ich in einer Gegend mappe, wo es auf 100 km² vielleicht 2-3 aktive Mapper gibt. Hin und wieder zieht mal einer durch, der ein paar POIs oder Wege hinterlässt, manchmal bleibt jemand auch mal ein paar Monate, aber ansonsten konzentriert sich eben alles auf einige wenige Mapper. Da versucht man natürlich, so effizient wie möglich zu arbeiten, denn es gibt so viel zu tun, dass jede Mannstunde sinnvoll investiert sein will, vor allem so lange die Grunddaten (Wegenetz, Landnutzung) nicht vollständig erfasst sind.
Ich empfand es immer als Krampf, wenn Wegenetz und Landnutzung mit getrennten Linien erfasst waren, und man dann den schlecht erfassten Wegverlauf (3 Knickpunkte pro km Weglänge oder so) detaillierter erfassen wollte. Statt einer Linie durfte man dann derer 3 bearbeiten. Bei gestapelten Linien war immerhin die Geometriekorrektur einfacher, aber da nervte es dann, dass es schwierig war im Editor die richtige Linie auszuwählen (was aber bei nebeneinanderliegenden Linien je nach Abstand und Zoomstufe genau das gleiche ist).
Ein Nachbarmapper fing vor einiger Zeit an, neue Flächen als Multipolygon zu mappen und dabei vorhandene Linien (Wege, Bäche etc.) als Begrenzung zu nutzen. Ich war begeistert, dass es nun in OSM möglich war auf eine derart elegante Weise Flächen zu erzeugen, und ich möchte diese Möglichkeit nicht mehr missen. Geometriekorrekturen, das nachträgliche Einfügen von Details, Vergrößern und Verkleinern von Landnutzungsflächen, all das geht in den Bereichen, die schon als MP gemappt sind, wesentlich schneller und einfacher von der Hand.
Ich versuche, zumindest für meine Heimatgemarkung, auch die Flurnamen flächenhaft zu erfassen. Zuerst hatte ich die Namen direkt an den Landuse-Flächen, was ich aber ziemlich schnell wieder aufgeben musste, da Landuse und Flurnamen selten deckungsgleich waren. Danach probierte ich es mit site-Relationen. Dabei störte mich aber immer die fehlende optische Kontrollmöglichkeit. Mittlerweile erfasse ich sie ebenfalls als Multipolygone und bin froh über die einfache Editiermöglichkeit, da ich doch oft etwas ändere, wenn ein Gespräch mit einem älteren Mitbürger mal wieder neue Erkenntnisse gebracht hat. Vorher hätte das nämlich bedeutet, dass ich zunächst die Landuse-Flächen hätte neu zuschneiden und dann noch die Mitglieder der site-Relation hätte ändern müssen - mühsam!
Gerade in den Waldgebieten ziehe ich oft die Luftbilder von Bing heran um die Grenzen zwischen Laub-, Nadel- und Mischwald zu kartieren, weil das vor Ort ja meistens eher schwierig ist. Leider sind die Luftbilder im hiesigen Bereich mindestens 8 Jahre alt und deshalb würde ich gern kennzeichnen, welche Daten aus Bing stammen und welche vor Ort aufgenommen wurden. Bisher habe ich das immer über ein source-Tag an den Flächen resp. Multipolygonen gemacht. Das empfinde ich mittlerweile aber als unbefriedigend, da es viele Flächen gibt, die ich teilweise per GPS und teilweise mit Bing erfasst habe. Ich möchte in Zukunft also die entsprechenden Begrenzungslinien der Fläche mit dem source-Tag kennzeichnen und spätestens an dem Punkt komme ich gar nicht mehr um Multipolygone herum.
Dass durch die Nutzung der Wege als Landuse-Geometrien diese Wege zerstückelt werden ist klar. Aber das passiert durch Brücken, Route-Relationen, Ver- und Gebotsstrecken, detailliertes Fahrspur- oder Feldweg-Beschaffenheits-Mapping usw. usf. genauso und je detaillierter der Datenbestand wird, desto häufiger werden auch die Wege aufgetrennt.
Meiner Meinung nach sollte es für Wege ebenfalls eine Möglichkeit geben, diese als Relationen zu erfassen. D. h. anstatt an jedes Teilstück alle Tags dranpappen zu müssen, erzeuge ich nur noch eine Linien-Relation für highway=primary, ref=B 1 und ordne dieser alle (zusammenhängenden) Linien zu, auf die diese Attribute zutreffen.
Ich möchte das ganze noch etwas ketzerischer formulieren: Ich fände eine komplette Trennung zwischen Karteninhalt und Kartengrafik gut. Als Vorbild denke ich da an HTML und CSS. Ich stelle mir das so vor: Auf der einen Seite wird eine Kartengrafik aus Punkten und Linien erzeugt. Auf der anderen Seite erzeuge ich den Karteninhalt, der aus Attributen besteht. Jedem dieser Attribute weise ich einen oder mehrere Punkte bzw. Linien zu. Will ich also die Nummer einer Bundesstraße ändern, kann ich das an einer Stelle machen und muss mir nicht erst 527 Linien zusammensuchen (und übersehe dann doch wieder 3). Hat sich nur bei einem Teil der Bundesstraße die Nummer geändert, verschiebe ich halt die betroffenen Elemente zu einem neuen Attribut. Es wären auch neue geometrische Zusammenhänge möglich. Setze ich z. B. ein Attribut natural=tree und weise ihm drei Punkte zu, habe ich eine Baumgruppe erzeugt, die später im Renderer auch so behandelt werden kann (z. B. für Generalisierung).
Anstatt einer Geometrie Attribute zuzuweisen, würde man also Attributen eine Geometrie zuweisen. Ist das nun komplizierter oder weniger intuitiv als andersherum? In meinen Augen nicht, ich empfinde es sogar als logischer. Und effizienter zu bearbeiten wäre es allemal. Die Multipolygone sind ein erster Schritt in diese Richtung und ich würde eine weitere Entwicklung dorthingehend durchaus begrüßen.
Ich hoffe, ich habe mich einigermaßen verständlich ausgedrückt.
Waldgraf