EU-Urheberrechtsrichtlinie und ihre Folgen für OSM

Crossposting auf der Mailingliste Talk-de: https://lists.openstreetmap.org/pipermail/talk-de/2018-June/115081.html

Hallo,

der Rechtsausschuss des EU-Parlaments hat gestern der neuen EU-Urheberrechtsrichtlinie zugestimmt. Der Kampf gegen ein unionsweites Leistungsschutzrecht für Presseveröffentlichungen und – was für OSM noch viel wichtiger ist – gegen die Pflicht, dass Inhaltsplattformen hochgeladene Beiträge auf Urheberrechtsverletzungen automatisiert prüfen müssen, ist noch nicht endgültig entschieden. [1] Übernächste Woche wird möglicherweise darüber noch im Plenum abgestimmt werden.

Warum ist das wichtig?
Derartige Filter gibt es auf gewissen Plattformen schon jetzt und sie sind für ihre Fehlerquote bekannt/berüchtigt. Müsste OpenStreetMap solche Filter betreiben, wäre es schwieriger und in Teilen unmöglich, die Beiträge von Mappern unverzüglich in die Datenbank aufzunehmen. Es motiviert Mapper ungemein, wenn ihre Änderungen innerhalb weniger Minuten auf openstreetmap.org und anderen Karten mit minütlichen Updates erscheinen.

Wenn eine Änderung im Filter hängen bleibt, müsste diese von Freiwilligen gesichtet werden, die ihre Zeit sicherlich lieber anderweitig verwenden würden. Außerdem würde es den Beitragenden, möglicherweise sogar einen Neuling, den wir für unser Projekt gewinnen wollen, nicht motivieren, weitere Änderungen hochzuladen, da es anscheinend für die Katz ist. Wenn ein Benutzer “Google” oder “Kataster” im Änderungssatzkommentar verwendet, mag es verlockend sein, einen bissigen Filter zu haben, der solche Änderungssätze abfängt. Leider ist die Welt jedoch nicht so einfach. Manche Katasterdaten sind für uns freigegeben, manchmal schreiben Benutzer Kommentare wie “Umgehungsstraße ergänzt, OSM ist jetzt aktueller als Google”.

Was können wir tun?
Am Karlsruher Stammtisch hatten wir die Idee, als politisches Statement einen Teil der Kartenkacheln von tile.openstreetmap.de in den nächsten Tagen vorübergehend durch schwarze Kacheln mit einer politischen Botschaft zu ersetzen. Es gibt schon grobe Pläne, wie wir das in der Konfiguration des Tileservers umsetzen. Dennoch rufen wir zur Mithilfe auf. Es ist nicht allein getan, die Konfiguration des Tileservers zu ändern. Folgende weitere Dinge sind noch zu tun, bevor wir die schwarzen Tiles ausliefern können:

  1. Es muss eine Seite auf *.openstreetmap.de geben, die erklärt, was am Entwurf der Richtlinie schlecht ist und warum die Filterpflicht uns genau schadet. Auch ohne Webdesign-Kenntnisse könnt ihr hier mithelfen und z.B. den Text formulieren oder Links zu weiteren Seiten zu diesem Thema zusammenstellen.

  2. Gut wäre es, wenn wir den Text auch ins Englische übersetzen könnten, falls andere Tileserver-Betreiber und andere Local Chapter der OSMF es uns gleichtun wollen.

  3. Die schwarze Fehlerkachel, eine 256 x 256 Pixel große PNG-Datei muss gestaltet werden. Vorschläge werden gerne entgegengenommen.

Wir werden unsere Serverkonfiguration Betreibern anderer kostenloser Tileserver zur Verfügung stellen, damit diese sich ebenfalls für freie Geodaten und gegen Uploadfilter aussprechen können.

Viele Grüße

Michael

[1] https://blog.wikimedia.de/2018/06/20/wir-lassen-uns-das-freie-netz-nicht-nehmen/

EDIT: Link zur Mailingliste ergänzt

Da würde ich mit provokanten Thesen arbeiten, etwa „Wenn Uploadfilter kommen, fehlt hier leider ein Teil der Karte, weil eine Straße darauf ebenso verläuft wie auf dem Produkt eines kommerziellen Kartenanbieters, was möglicherweise dessen Rechte verletzt. [Was Sie nun tun können](Was Sie nun tun können)“

Das würde auch deutlich machen, wie gewagt das Vorhaben ist – Beweislastumkehr und „Im Zweifel gegen den Angeklagten“ – und wie absurd so eine Filterung gerade bei OSM wäre: wenn eine Straße bei uns wie ebenso aussieht wie auf einer anderen Karte, dann deshalb, weil sie halt so verläuft, und nicht deshalb, weil abgemalt wurde.

–ks

Wie wär’s mit so was?

–ks

Da gibt’s sicher schon Sammlungen, oder?

Was mir so als erstes einfällt:

  1. Absurde Beweislastumkehr
    Die Verpflichtung, die Rechtmäßigkeit von hochgeladenen Inhalten seitens des Betreibers auf dessen Aufwand und Kosten sicherstellen zu müssen, läuft auf einen Generalverdacht und eine Umkehrung der Beweislast hinaus.

  2. Absurde Unverhältnismäßigkeit
    Um einen kleinen Teil von Urheberrechtsverstößen abfangen zu können, wird die Freiheit aller wesentlich beschnitten. Wenn es nicht einmal erlaubt ist, Teile von Nachrichtenmeldungen zu zitieren, wie soll dann eine publizistische Auseinandersetzung überhaupt möglich sein?

  3. Fehlentscheid in Zweifelsfällen
    Die Vorgabe, im Zweifelsfall eine Veröffentlichung zu verhindern statt zuzulassen, widerspricht dem alten Rechtsgrundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“, und stellt eine besondere Beschneidung persönlicher Freiheiten dar. Es werden Inhalte schon dann ausgefiltert, wenn nur der Verdacht besteht, sie könnten Rechte verletzen.

  4. Benachteiligung kleiner Wettbewerber
    Kleine Plattformen, die mit geringen Budgets auskommen müssen, werden praktisch dazu gezwungen, die erforderliche Filtertechnik von Softwaregiganten teuer einzukaufen. Das stellt nicht nur eine erhebliche finanzielle Benachteiligung dar, sondern macht sie auch von ihren Mitbewerbern wirtschaftlich und rechtlich abhängig und zerstört damit einen innovativen, freien Markt.

  5. Ungleichbehandlung
    Das Vorhaben, „erwünschte Dienste“ wie z.B. Wikipedia von den Regelungen auszunehmen, erklärt implizit alle anderen zu „unerwünschten Diensten“ und läuft auf eine staatliche Zensur hinaus – wer entscheidet denn, welcher Dienst erwünscht ist und welcher nicht?

  6. Konsequenzen für die EU
    Vielen innovativen Diensten, die mit geringem Budget wertvolle Entwicklungsarbeit leisten – etwa Open-Source-Softwareschmieden – wird mit diesem Gesetz die Arbeit innerhalb der EU faktisch unmöglich gemacht. Damit sperrt sich die EU wirkungsvoll von aktuellen Entwicklungen aus, die in Gebiete mit liberaleren rechtlichen Regelungen auswandern werden.

–ks

Bitte nicht. Für Politik ist der Vorstand zuständig.

Man kann sicherlich irgendwo einen Hinweis setzen. Aber ganze Kacheln dafür benutzen…das würde ich auch nicht tun.

Ich sehe das auch kritisch. Damit verprellt man den einfachen Nutzer vielleicht mehr als die Aktion bringt.

Wäre das nicht ein klassischer Fall für ein Popup? Nachdem man das weggedrückt hat wird man nicht weiter behindert und es erregt trotzdem eine vergleichsweise hohe Aufmerksamkeit.

+1 für separat-Hinweis (nicht in Kacheln).

Bei der letzten FOSSIGS-MV ist von einem Mitglied angemerkt worden, dass der Verein ruhig etwas mehr politisch machen könnte, wenn mal wieder irgendwelche Gesetze diskutiert werden, die für die Open Source/Open Data relevant sind. Oft mangelt es an Leuten, die sich da dann im Detail für einsetzen und auch was machen (der FOSSGIS will ja jetzt nicht unbedingt einen Lobbyistin einstellen…).

Insofern finde ich das zu begrüßen, wenn sich jemand engagieren. Ich bin selbst FOSSGIS-Vorstandsmitglied und war am Stammtisch dabei. Ich bin eigentlich sicher, wenn ich meine Vorstandskollegen frage, was die davon halten, wir die Antwort sein: Daumen rauf, wenn ihr das hinkriegt, finden wir das auch gut. Aber ich frag zur Sicherheit mal wirklich nach. Dann kann der Vorstand auch offiziell die Verantwortung übernehmen, und es ist nicht der arme Nakaner dran, wenn sich jemand beschwert :wink:

Bye
Frederik

Ja, schon, aber deren mahnende Beispiele müssen auf OSM angepasst werden.

Die Liste ist ein Anfang, aber ich würde v.a. gegen Uploadfilter wettern, weil uns das mehr und direkter schaden könnte. Außerdem würde ich es in der ersten Person Plural formulieren und mehr als “X geht nicht/X ist erschwert, wenn/weil […]” schreiben.

Es mag zwar Benutzer stören, aber es hat eine größere Wirkung als ein Popup, welches, wir wir im Falle der Konferenz- und Spendenbanner auf openstreetmap.org erfahren mussten, von Adblocker-Filterlisten weggefiltert wird. Außerdem muss ein Popup auf jeder Seite einzeln eingebaut werden, die es zeigen soll. Seiten, auf die wir direkt Zugriff haben, haben eine begrenzte Reichweite. Unsere Tiles haben eine deutlich größere Reichweite. Nur ein Drittel aller Anfragen an tile.openstreetmap.de stammt von www.openstreetmap.de. Bei tile.openstreetmap.org sind die Verhältnisse ähnlich.

Eine im Raum stehende technische Umsetzung würde die “schwarzen” Kacheln zufällig verteilen. Wenn man dieselbe Kachel mehrfach abruft, würde man nur in einigen Fällen eine Fehlerkachel erhalten. Das heißt, ein Reload der Seite würde zu einer anderen Verteilung der schwarzen Kacheln führen. Der Störfaktor hängt auch vom der schwarzen Kacheln ab, die schwarz werden.

Ich meinte den OSM- und nicht den FOSSGIS-Vorstand.

Ein Link muss da halt schon drauf. Da man den abtippen muss bräuchten wir natürlich was möglichst kurzes. Klappt vielleicht einen unter osm.org zu kriegen.

Kacheln deshalb weil nur diese eine wirklich hohe Reichweite haben. Auf dem deutschen Tileserver kommen gefühlt mindestens 30% der Abrufe nicht von http://openstreetmap.de

Gruss

Sven

Hallo kreuzschnabel,

Das ist schon mal ein guter Anfang. Hast du davon eine SVG-Datei, d.h. es mit Inkscape gezeichnet? Die Grundidee ist gut, aber wie auch Sven ist mir ein Link sehr wichtig. Anstatt jetzt wie ein Nörgler hier zu sagen, welche Details mir nicht gefallen, würde ich selber gerne Hand anlegen.

Viele Grüße

Michael

Nein, ein XCF, mit Gimp gezeichnet.

–ks

Macht die Wikimedia foundation wieder irgendwas?

Es gibt dort zumindest einen aktuellen guten Artikel
https://blog.wikimedia.de/2018/06/20/wir-lassen-uns-das-freie-netz-nicht-nehmen/

Wenn jemand dort einen Anspruchpartner kennt können wir das gerne koordinieren.

Ich als einer der inoffiziellen Feuerwehr-Vertreter kann für diese Nutzergruppe sprechen:

Es ist in einem so konservativen Bereich wie der Feuerwehr sehr sehr sehr schwierig, die Entscheidungsträger davon zu überzeugen, Freie Software bzw. freie Daten zu verwenden. Dies ist nur mit hartnäckiger Arbeit möglich, die man auch nach der Einführung noch oft erklären muss.

Für einen technischen Ausfall, warum auch immer, kann man irgendwie immer noch um Verständnis werben. Für eine vorsätzliche Abschaltung von einzelnen Kacheln über Tage und Wochen hinweg nicht. Das wird das mühsam aufgebaute Vertrauen nachhaltig schädigen.

Ich bin hauptberuflich in der IT-Abteilung einer großen Berufsfeuerwehr tätig. Die Erfahrung zeigt: So eine Aktion wird über zig Jahre bei allen Entscheidungen als Gegenargument aufgeführt werden, die ist nicht in 3 Monaten wieder vergessen (das zielt jetzt nicht speziell auf meinen Arbeitgeber ab - bei solchen großen Organisationen benutzt man natürlich einen eigenen Tileserver).

Da bei den Feuerwehren oftmals Systeme verwendet werden, die automatisiert auf einem Bildschirm die Anfahrtsroute zur Einsatzstelle oder die Verfügbarkeit von Hydranten anzeigen oder diese auf Papier ausdrucken, gibt es hier weder die Möglichkeit zu zoomen, die Karte neu zu laden oder sonstiges.

Hallo,

Für sicherheitsrelevante (hier: Sicherheit = safety, nicht Sicherheit = security) Systeme ist es gefährlich, sich auf Dritte zu verlassen und sich eng an sie zu binden. Wer kostenlose Dienste nutzt, muss mit Instabilitäten und Änderungen leben. Wer weder Kartenkacheln selber rendert noch mit vorgerenderten, heruntergeladenen Kacheln arbeitet noch diese Dienstleistung an vertrauenswürdige Dritte auslagert, muss sich fragen, ob das System, das er betreibt, wirklich so wichtig ist. Was würde derjenige denn machen, wenn ein Vandale die halbe Stadt löscht? Es dauert auch da mal ein paar Stunden bis es erstens entdeckt und zweitens revertiert ist! In der Zeit ist es schon auf einer Reihe von Tileservern zu sehen.

Und mal ehrlich: Uploadfilter stören auch diese auf Sicherheit bedachte Nutzergruppe. Der Vandale käme leicht durch den Uploadfilter, da er ja nur löscht. Der revertierende Benutzer hätte jedoch Schwierigkeiten, weil unter den Daten, die er hochlädt sicherlich etwas ist, was einen Fehlalarm auslöst. Man kann zwar sagen “Dann führt OSM halt eine neue Benutzergruppe für Revertierer und andere Putz-Mapper ein.”. Das ist aber leichter gesagt als getan. Die Implementierung eines solchen Features würde ehrenamtliche Ressourcen unnötig binden und es ist nicht so motivierend, das zu implementieren (d.h. es ist schwierig, überhaupt jemanden zu finden). Zudem würde ein solches Feature dem offenen Grundgedanken von OSM zuwiderlaufen. Bitte denkt daran, dass heutzutage immer noch alle Benutzer gleich sind (von ein paar Moderatoren, die Sperren vergeben abgesehen) und jeder sich an der Qualitätssicherung und dem Aufräumen beteiligen kann und darf. Uploadfilter fördern Hierarchien, was nicht förderlich für die Gewinnung neuer und die Erhaltung bestehender, aktiver Mapper ist.

Diese Aktion soll auf kostenlose Tileserver beschränkt sein. Als Betreiber eines Tileservers mit Gewinnerzielungsabsicht würde ich mich an der Aktion nicht beteiligen, da ich meine Kunden nicht vergraulen möchte.

Wenn uns die Zeit im Vorfeld ausreicht, können wir natürlich diese Aktion kurzfristig ankündigen. Mehr als ein oder zwei Tage sind aber wahrscheinlich nicht drin.

Viele Grüße

Michael

Eine kleine Feuerwehr auf dem Land hat weder das Know-How wie sie einen eigenen Tileserver bauen und stabil betreiben, noch die finanziellen Mittel zu einem kommerziellen Anbieter zu gehen.

Aber wir schweifen ab.