Warum malen wir eigentlich keine Karte?

Vorneweg: Ich möchte gerne mit diesem Post Gedanken anstossen und bin Interessiert, ob es irgendwo Dinge gibt, die ich noch nicht entdeckt hab, vielleicht Menschen gibt, die ähnliche Ideen haben und so Projekte entdecken, in die ich mich mit meinen begrenzten Mitteln einbringen kann.

Für mich liegt die grosse Stärke von Openstreetmap in der lokalen Kentniss der Mapper. Das ist etwas, was einen hohen Wert hat.

Strukturell gibt es das Dilemma, dass soziale Informationen sich schlecht abbilden lassen. Die Bedeutung eines Objekts hängt immer auch von dessen Kontext ab. Ich glaube dass daher viele Menschen das Bedürfniss haben, eine soziale Dimension eines Objektes durch Beeinflussung des Hauptrenderes mapnik zum Ausdruck zu bringen. (Sie wollen Karten malen, missbrauchen den Nametag und Tourismusattraktion etc).

Die kriegen natürlich völlig zu Recht einen auf den Deckel, den ein solches Verhalten führt zu Chaos an allen möglichen Stellen. Nur: Brauchen wir nicht eigentlich einen Kanal, für genau diese soziale Kontextdimension?

Um konkret zu werden: Ich wohne in einem sehr dünn besiedelten Teil von Schweden. Fast alle Karten - wie z.B. die Wanderreitkarte, die Freizeitkarte oder auch die openandromap abstrahieren und stellen landuse=farmland nicht dar. Das ist auch eine völlig verständliche Entscheidung, passt hier aber garnicht. Der Informationswert von “in einem fünf mal fünf kilomter grossen Waldstück liegt in der Mitte ein Hektar Acker” ist zur Orientierung wichtig, während es in anderen Gegenden zu einer Unüberichtlichkeit der Karte führt.

Auch andere Dinge, wie die Bedeutung von “Läden” versus “Theatern” stellen sich völlig anders dar. Sind die Läden 30 km auseinander haben sie eine völlig andere soziale Ortientierungsbedeutung als in Städten, während 2 mal im Jahr mit Gastspielen bespielte Theater wesentlich weniger in der Bevölkerung verankert sind als Theater in Grosstädten.

Nun, bis zu einem gewissen Punkt bietet Openstreetmap auch heute schon faszinierende Möglichkeiten. Ich finde es absolut toll, was man mit Oruxmap (tweak mapforcestile) anstellen kann, man kann aus- und einblenden und sich so mit ein wenig Aufwand eine gute Karte basteln. Aber sowohl das teilen dieser Karteneinstellungen als auch die gemeinsame Weiterentwicklung dieses Kontextknowhows ist im Moment schwierig bis unmöglich. Und ein gefrickel mit ewig vielen Karten (wie ich es jetzt habe) macht für die breite Masse keinen Sinn.

Wenn ich darüber nachdenke frage ich mich, ob man nicht so eine Art bearbeitbare “Stileliste” für sowiesoschon definierte Gebiete einführen könnte. Also festlegen, welche Objekte in welchem Gebiet wichtiger sind als andere (das auch noch nett grafisch umgesetzt, so dass man z.B. einen Ladenbuttom anfassen und einfach grösser ziehen kann :slight_smile: ist traumwelt).

Dieses lokale und mit dem Wikiprinzip weiterentwickelte Stilefile würde dann die technische Vorraussetzung geben, dass man Karten erstellen kann, die sich auch nach den lokalen Gegebenheiten richten und z.B. auf dem Land die Läden schon bei früher einblendet als in der Stadt.

Denn hier glaube ich an die Macht der crowd: Ich glaube und hoffe, dass dadurch eine interessante und einmalige Dimension der Karten entsteht, verglichen mit allen Versuchen sowas durch Renderregeln zu beschreiben.

Was denkt ihr dazu? Wird sowas schon irgendwo diskutiert? Bisher habe ich den Eindruck, dass die meisten Kartenbauer ziemliche Einzelkämpfer sind und es für sie sehr schwierig ist, den Prozess des Kartenerstellens sozial zu öffnen ohne in Arbeit zu ertrinken (ist jedenfalls bei mir und meinen Garminkarten so).

:slight_smile:

An Projekten, die diese Dimension stark machen, bin ich sehr interessiert. Spontan denke ich an Projekte wie die Wheelmap, die z.T. direkt auf OSM zugreifen, aber eine eigene Datenbank für weitere Inhalte betreiben.

Deine Gedanken erinnern mich an zwei sehr interessante FOSSGIS-Vorträge von Klaus Stein:

https://www.youtube.com/watch?v=68yyzk4Lskk

https://www.youtube.com/watch?v=mvVwc4jR45c

Aber ich habe Dich auch so verstanden, dass Du vom statischen Rendering weg hin zu interaktiven Funktionen willst, die die Kartendarstellung direkt verändern.

Was wichtig ist und was nicht ist immer interessen-, situations-, orts- und/oder zeitbezogen … also völlig subjektiv. Für die Androidkarten mit V4-Themes gibt es die sogenannten Map-Styles, mit denen man bestimmte Objekte oder Objektgruppen ein- und ausblenden kann. So sind Höhenlinien in der Stadt oftmals eher “Kartenverschutzung” als wie nützlich. Für die Planung der kommenden Bergtour sind sie dann aber plötzlich essentiell.

Gruß Klaus

Ich finde die Überlegungen auch interessant. Wenn du dir www.historic.place ansiehst, dort haben wir ein Feature, das zumindest in nullter Näherung in die Richtung geht: Mittels eines + / - Controls können wir (manuell) Detailebenen einblenden, die sonst erst bei höheren Zoomleveln sichtbar wären (und umgekehrt).

Wenn ich dich recht verstehe zielst du langfristig auf eine Heuristik, die gebietsabhängig von der Dichte der Objekte vom Typ X diese früher oder später einblendet. Das würde wohl erfordern, den sichtbaren Kartenbereich grob zu rastern und für jedes Rasterelement und jedes Layerelement zu entscheiden, ob es angehoben werden soll und um wieviel. Aber wie rastert man smooth bei harten Übergängen (Großstadt im Urwald)? Man muss wohl die Rasterung intelligent machen statt rechtwinklig - Bereiche ähnlicher Dichte finden.

Gruß,
Zecke

Die Kritik ist richtig. Jeder Karte sieht man den kulturellen Hintergrund der Macher an und unsere Karten werden eben von Leuten gemacht, die in Gegenden wohnen, wo alle 200km Städte kommen, die mit Autobahnen verbunden sind :wink:

Dinge je nach Gegend zu rendern hab ich mal versucht. Man wollte Restaurants in der Karte, ich wollte die Innenstädte nicht mit POIs abdecken und deshalb hab ich der Gastronomie eine Masszahl “Anzahl der Kneipen im 1km-Radius um diese Kneipe” zugeordnet. Das funktioniert halbwegs, man kann dann den einzelnen Biergarten im Wald auf Zoom 15 darstellen und die Cafes der Innenstadt erst bei Zoom 18.

Allerdings ist es sehr mühsam, solche technischen Zahlen dem Geschmack auch nur eines einzelnen Kartenbetrachters anzupassen, bei einer Crowd wird es schwierig.

Und man hat den lustigen Effekt, dass Ballungen von Restaurants verschwinden, obwohl eine Ansammlung von 50 Restaurants mitten im Wald ja eher eine Sensation als etwas vernachlässigbares wäre… Da denke ich inzwischen, irgendein intelligentes Clustern wäre besser als dummes Ein- und Ausblenden.

Bei Dingen, die mit irgendwas verbunden sind, wirds auch schwierig. Ein highway=path ist in der Stadt bei Zoom 12 uninteressant, im Wald möchte man ihn sehen. Soll man ihn dann einfach als Sackgasse enden lassen, sobald die Strassendichte oder Bebauung oder Bevölkerung einen Schwellwert übersteigt?

Das wäre der erste Schritt: Ein Spielwiese für Kartenstile schaffen, eine Möglichkeit, das anzusehen und darüber zu reden und Elemente beim Nachbarn zu klauen und eine Downloadmöglichkeit / ein Kartenserver für die 1-N Stile, die den Segen der Mitarbeiter haben. Das ganze möglichst intuitiv bedienbar und gänzlich untechnisch, weil geschickte kreative Landkartenmaler vielleicht nicht die geschicktesten Datenbanker sind. Ich wüsste allerdings nicht, wie man sowas macht…

Den Eindruck habe ich auch: OSM-Mapnik, deutscher Stil, OpenTopoMap suchen alle nach Mitstreitern. Aber zum einen macht es Spass, sein ganz eigenes Zeug zu machen, zum anderen gibt es wohl auch gar nicht so viele Leute, die Karten machen können und wollen und Zeit für sowas haben… Der einzige OSM-Stil mit grösserer Beteiligung ist der “Standard-Stil”, da werkelt wirklich eine grössere Gruppe, allerdings steht dieser Gruppe eine noch viel grössere Gruppe von Leuten mit Wünschen und Anmerkungen gegenüber.

Grüße
Max

Ich glaube man braucht gar keine trickreichen und aufwändigen Algorithmen um Dinge früher oder später oder gar nicht darzustellen. Auch sollte man die Bereitschaft der Benutzer nicht überschätzen vielfältige Dinge auf einer Karte zu konfigurieren.

Letzteres hatten wir für die Freizeitkarte-Android schon mal. Jedes Kartenfeature war ein- und ausblendbar. Genutzt hat das so gut wie keiner. Die Antwort eines Kartennutzers dazu war: “Ich nutze das nicht, das ist mir viel zu aufwändig, ich nehme die Karte so wie sie ist, als Qualität-der-Ware sozusagen”.

Was man IMHO braucht ist vielmehr eine weitere Darstellungsvariante speziell für ländliche Gebiete. Hier geht es dann aber primär darum, wann ein Objekt dargestellt wird (Zoomstufe) und welche Signifikanz (z.B. Darstellungsform und -größe/-breite) es erhält.

Gruß Klaus

Das Problem hatte ich vor Jahren einmal bei den Berggipfeln angesprochen.
Ein Schlüssel z.B. zoom=18 → rendert den Gipfel nur ab Zoomstufe 18.
So kann ein Mapper vor Ort entscheiden, welcher Gipfel ist markant, bekannt, … wichtiger als der Nachbargipfel.

Günstig finde ich solche (Spezial-)Karten:

http://unterkunftskarte.de/#14/50.9128/13.6769
http://www.openrailwaymap.org/?lang=de&lat=50.98805921090644&lon=13.637243807315826&zoom=18&style=standard
http://map.openseamap.org/?zoom=14&lat=51.06267&lon=13.77213&layers=BFTFFFTFFFF0TFFFFFTTFF

und einige Rad- und Wanderkarten - die nur bekannter sein müssten.

Die ist gut, kannte ich noch nicht. Erinnert mich von der Aufmachung an die openeventmap.net. Habe die Unterkunftskarte sofort unserem Stadtmarketing bekannt gemacht. Mal sehen, ob die sie nutzen werden.

Vielen Dank für die tollen Reaktionen.

Besobders die videos von den Vorträgen fand ich super spannend. Wäre interessant zu Wissen was daraus geworden ist.

Zu tox-roc muss ich sagen dass die Hemmschwelld riesig ist. Allerdings kriegen ich hier bei Wanderreitern, Orientierungsklubbs etc den Eindruck dass diese Features das einzige sind, weswegen man sich überhaupt mit OSM beschäftigt. Die Daten hier sind allerdings auch sehr inselig :slight_smile:

Freut mich, da lege ich doch gleich noch zwei dazu:

https://www.youtube.com/watch?v=5OlJehPY_sU

https://www.youtube.com/watch?v=xasTtywGDQg

Da Du oben OpenAndroMaps erwähnt hast - eigentlich machen wir da schon einiges in der Richtung, was oben erwähnt wurde: Karten passend zur Besiedlung/Kartierung anbieten.

Christian verwendet insgesamt 10 unterschiedliche tag-mappings (z.B. auch speziell für Skandinavien), um dichter/spärlicher besiedelten/kartierten Gegenden auf der Welt gerecht zu werden.
Dazu passend gibt es von mir zwei verschiedene Varianten des selben Kartenstils (Elevate/Elements), wo in erster Linie der Unterschied besteht, dass Elements die in spärlich kartierten Gegenden viel früher erscheinenden Merkmale zulässt, während Elevate diese für dichter kartierte der Übersichtlichkeit wegen begrenzt. Und landuse=farmland ist natürlich auch drin :slight_smile:

Viele Grüße,
Tobias

Earthtrumpet: ja ich schätze Eure Arbeit und es ist Eure Karte die ich meistens verwende.

Allerdings: benutze Sie einfach mål selbst in “meiner Ecke” Und Du wirst merken, wie komisch die Karte werden kann, besobders wenn Du rauszoomst.

Ohne sich Mir erschliessen Logik erscheinen Namen von einen Badeplatz grosser geschrieben als der Stadtname, Flurstücknamen erscheinen doppelt Und dreifach, dafür die Gemeindenamen garnicht. Auch welchem Seenamen angezeigt werden hat offensichtlich nur sehr rudimentär mit deren Grosse zu tun, was zu ziemlichem Unsinn führt.

Ich kann Dir die Kritik gerne deutlicher machen, wenns hilft Und für irgendwas produktiv ist. Denn natürlich muss man von 2 Seiten auf das Problem zugehen.

Gerade die Darstellung hat ja dazu geführt dass die Idee mit lokal anpassbaren Stilen in meinen Kopf kam.

@Skinfaxi: Du kannst mir gerne die Kritik per E-Mail schicken, hier würde das glaub ich zu weit führen. Am besten mit OSM-Links zu fraglichen Stellen.
Ich kann mir schon ein paar Stellschrauben denken, an denen ich noch drehen kann, ein paar Sachen sind aber Formatbedingt.