Neue Pässe und Bergsättel?

Ich teile ein wenig den Faible für Flurnamen, aber wenn eine Lokalität “…mahd” heißt und schon auf dem Luftfoto von 1940 steht dort Wald, dann frag ich mich, ist es Zeit für den Flurnamen-Thread im Forum hier?

Update: Ich spiel hier auf Namen in meiner Nähe an, ein wenig westlich vom Tscho sein Kogel ist das, ein paar hundert Kilometer, um genau zu sein.

Dieser Blogpost bringt zwar einige interessante Themen auf, er vermischt (unter dem vereinfachenden Schlagwort “Wikipediarisierung”) meiner Meinung nach aber mindestens 3 verschiedene Themen:

  1. Überprüfbarkeit vor Ort vs. Überprüfbarkeit durch Zitate: Wem sollen wir (eher) vertrauen: dem Hörensagen unter Personen vor Ort (die sich in der Gegend am Besten auskennen sollten, aber wie verläßlich ist das Hörensagen?) oder (wie in der Wikipedia) “verläßlichen Quellen” (aber wer bestimmt, ob eine Quelle verläßlich ist?). Und in beiden Fällen kann es durchaus vorkommen, daß sich mehrere Quellen nicht einig sind (weder Personen vor Ort noch “verläßliche Quellen” haben unbedingt eine homogene Meinung), was soll dann passieren? Der Blogpost beklagt sich darüber, daß OSM zunehmend vom ersten zum zweiten Modell übergeht (“Wikipediarisierung”, wie er es nennt). Meiner Meinung nach hat das durchaus praktische Gründe: Das Befragen der Menschen vor Ort ist zwar ein sehr nettes Ideal, skaliert aber nicht wirklich. Es ist nicht nur sehr aufwendig, sondern ist auch weder bei Armchair-Mapping praktikabel, noch, wenn eine Touristin wichtige touristische POIs einträgt, noch bei formellen oder informellen (rund um Konferenzen wie den Linuxwochen) Mapathons, und das sind alles gängige Wege, um große Datenmengen in die OSM hineinzubekommen. Da ist das Sich-Berufen auf OGD, Webseiten der Lokale und Geschäfte usw. auf jeden Fall realistischer.

  2. Naturwissenschaften vs. Sozialwissenschaften: Der Blogpost behauptet, der Vor-Ort-Zugang (wie in OSM theoretisch erwünscht) sei “naturwissenschaftlich”, während der Zitat-Zugang (wie in Wikipedia) “sozialwissenschaftlich” und für Naturwissenschaften nicht geeignet sei. Das kann ich in der Form nicht nachvollziehen. Auch in den Naturwissenschaften spielen Zitate und verläßliche Quellen eine wesentliche Rolle. Es ist nur leichter, eine verläßliche Quelle zu definieren, und zwar durch Peer Review. Auch in der Wikipedia ist das ein wesentliches Kriterium, wobei natürlich nicht für alle Themenbereiche Peer-Reviewed-Quellen zur Verfügung stehen. (Gerade in der Kartographie ist das ein Problem, da müssen wir uns oft auf Ämter verlassen, was zu Diskussionen wie diesem Thread führt.) Ich sehe daher nicht wirklich, was am Zugang der Wikipedia “nicht naturwissenschaftlich” sein soll. Ich halte sogar eher den Vor-Ort-Zugang, wo es darum geht, Menschen direkt zu befragen, für “sozialwissenschaftlich”, aber im Grunde sollte das keine Rolle spielen. Es muß darum gehen, einen praktikablen pragmatischen Zugang zu finden, egal, aus welcher Wissenschaft dieser ursprünglich kommt.

  3. Willkürliche bzw. nicht wohldefinierte Daten (interpolierte Geometrien, subjektive Klassifizierungen): Der Blogpost bleibt lange abstrakt darüber, um welche nicht-überprüfbare Konstrukte es eigentlich geht, und bringt gegen Ende schließlich einige Beispiele, die aber im Grunde nichts mit den obigen beiden Themen zu tun haben. Konkret geht es im ersten Beispiel um Geometrien wie z.B. die einer Bucht (am Beispiel eines Fjords), wo nicht wohldefiniert ist, wo diese Bucht eigentlich konkret endet. Das ist aber völlig unabhängig davon, welchen Begriff der Überprüfbarkeit man hernimmt: Weder Personen vor Ort, noch (verläßliche) Quellen werden in der Lage sein, eine genaue konkrete Einschließung der Bucht anzugeben, bei der sich alle einig sind. Das gilt ja sogar für den Halbkontinent Europa, wo dermaßen Uneinigkeit über dessen genaue Abgrenzung von Asien (das ja eigentlich auch Teil ein- und desselben Kontinents Eurasien ist) herrscht, daß sich die Leute nicht einmal einig sind, welcher überhaupt der größte Berg Europas ist, weil einige den Elbrus halb oder ganz zu Europa zählen und andere nicht. (Auch darüber, ob der Hauptgipfel des Mont Blanc / Monte Bianco komplett in Frankreich oder auf der Grenzlinie zu Italien liegt, besteht übrigens Uneinigkeit, und auch da werden weder die Personen vor Ort noch andere Quellen eine einheitliche Antwort geben.) Eine Bucht zu einem geschlossenen Polygon zu vervollständigen, wird immer willkürlich sein. Ob man das dann so haben will, oder lieber einen Punkt-POI, ist eine eigene Diskussion und hat nichts mit der “Wikipediarisierung” zu tun. Ähnlich verhält es sich mit subjektiven Klassifizierungen etwa einer Wegqualität (die restlichen Beispiele), auch da werden sich die Quellen nicht einig sein, egal welche Quellen (auch lokale Personen) man hernimmt, “Wikipediarisierung” hin oder her.

Ich kapere diesen gestorbenen Thread mal ein wenig, da es hier wohl am ehesten die interessierten Personen betrifft.
Ich hab allerdings nicht alles gelesen, aber wenn ich mir ansehe, wie weit das hier abgedriftet ist, hab ich da überhaupt kein schlechtes Gewissen :stuck_out_tongue:

fkv hat einen mountain_pass im Lainzer Tiergarten getaggt, den ich überhaupt nicht nachvollziehen kann: https://www.openstreetmap.org/changeset/37961691
Abgesehen von der falschen Platzierung, würde mich eure Meinung dazu interessieren, ob ihr findet, dass das getaggt oder gelöscht werden sollte.
Hier ein bisschen (irrelevanter) Kontext zu dem Platz, wo man den tag am ehesten hinmachen könnte (wo die 2 Straßen zusammen treffen): https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Hirschgstemm

Man muss bei sowas mehrer Dinge unterscheiden. Ähnlich wie z.b beim Eintrag von Gipfeln. Zum einen die rein topographische Richtigkeit. Ein Pass ist “der höchste Punkt eines Weges, der über die tiefstmögliche gangbare Stelle eines Bergkamms führt”.

Wenn man als Weg die Hirschstemmstraße sowohl im Wiener- als auch im NÖ Gebiet ansieht, dann ist an jener Stelle (Altes Dianator) tatsächlich ein höchster Punkt (388 m) der Straße. Auf beiden Seiten des dortigen “Kamms” führt die Straße bergab. Die erste Frage die man sich stellen kann ob man die Wegen zu beiden Seiten der Landesgrenze überhaupt als “einen gemeinsamen Weg” sieht - oder ob der Wiener Teil nicht eigentlich die Fortsetzung der Bärenbergstraße ist und der NÖ-Teil ein eigenständiger track wie derzeit in der OSM einzeichnet.

Ebenso ein Pass im topographischen Sinn ist die Stelle beim Rasthaus “Hirschstemm” (408 m) - auch hier geht die Straße zu beiden Seiten des “Kamms” bergab.

Dann kommen aber noch min. 2 weitere Dinge, die man beachten sollte: Zum einen wie “hoch” ragt ein Pass aus der Landschaft, bzw. den Tälern heraus. Das analoge wäre bei einem Gipfel: Schaut er nur 1 m aus der umgebenden Landschaft hervor oder 100 m? Man könnte laut OSM jeden dieser 1 m-Minigipfel als natural=peak in die Karte einzeichnen - und soweit ich weiß widerspricht dem auch kein Übereinkommen oder Wiki. Es gibt keine Relevanzschwelle. Ähnliches bei Pässen und Sätteln.

Zweitens: Ist dieser Pass allgemein unter einem bestimmten Namen bekannt? Topographisch würde es zig-tausende Pässe und auch Gipfel geben, deren Eintrag in OSM nichts widerspricht. Aber nur eine endliche Zahl davon hat auch einen ausgeschilderten, belegten oder allgemein bekannten Namen.

Ich persönlich würde einen Pass in OSM nur eintragen wenn er entweder allgemein unter einem Namen bekannt ist und/oder er wirklich extrem aus der Landschaft herausragt aber aufgrund z.b dass es sich hier nur um einen unwichtigen Pfad handelt er keinen eigenen Namen hat. Ich bin jetzt kein Kenner der konkreten Straße in Wien, aber auf den mir bekannten Karten konnten ich keinen Namen für die beiden “Passhöhen” dort finden.

Abgesehen davon, dass ich ein Pass-/Sattel-Symbol aktuell gar nicht finden kann (weder beim Dianator noch am Hirschgstemm, vielleicht hat es ja schon wer gelöscht?),
stimme ich PPete2 zu, dass
a) ein Sattelpunkt eben ein geometrischer Sattelpunkt ist, egal wie bedeutend er sein mag (der höchste Punkt einer Straße, also eigentlich ein “mountain_pass”, muss jedoch nicht auf diesem Sattelpunkt “saddle” zusammenfallen, tut er tatsächlich sogar recht oft nicht, ein schönes Beispiel ist das Hochjoch im Ötztal, da liegt der Pass aus historischen Gründen / Gletscherschwund sogar ca. 100 Höhenmeter über dem nun eisfreien Sattel), dass aber
b) halt eher halbwegs bedeutende Sattelpunkte bzw. Pässe in OSM eingezeichnet werden sollten, im Idealfall wenn sie benannt sind oder ihre Seehöhe amtlich eingemessen ist. Dass der Pass nicht notwendigerweise alpinistisch herausragend sein muss, darin stimme ich mit fkv überein - da müssten wir in W oder NÖ nicht viel einzeichnen. Das gilt selbstverständlich auch für hiesige “Gipfel” < 500m Seehöhe, wo sich schon ein Tiroler zerkugeln würde und ein Tibeter erst recht.

Ich hab den node im CS eh verlinkt: https://www.openstreetmap.org/node/4070242335/history Der ist noch da. Ich bin auch nicht grundsätzlich gegen das Taggen von solchen mountain_pass, aber an der Stelle hab ich mich auch als Wiener drüber zerkugelt. :slight_smile: Ich seh da einfach keine Relevanz. Kennt niemand, wurde nie benannt, ist verkehrstechnisch wuarscht (weniger wegen der Geographie, sondern weil rechtlich niemand darf - für Radler aus Laab wärs eine schnelle Verbindung nach Hütteldorf). Wenn man das pauschal auf jede Straße legt, die über eine Wasserscheide drüber geht, kann man das automatisieren auch…

Vorher war nur der Änderungssatz verlinkt, nicht der node, aber jetzt hab ich’s gefunden. Ich finde die Verortung topographisch richtig, weil es sich ja auf einen Weg bezieht, während der “saddle” eben den geometrischen Ort, der nicht notwendigerweise auf einem Weg liegen muss, bezeichnet. Wie ich soeben herausfand, wird “mountain_pass” eh nicht gerendert, oder [EDIT: doch, in CyclOSM wird er gerendert]? Ich persönlich finde Wasserscheiden und damit auch Sättel / Pässe nicht unspannend, weil oft nicht so bekannt und manchmal recht überraschend, aber dass der gegenständliche kein sonderlich markanter Pass ist, darin stimme ich schon zu - beim Hirschgstemm sähe das jedoch wieder anders aus - hier wird die Wasserscheide zwischen Wienfluss und Liesingbach gequert, die doch immerhin ca. 20km lang ist (geschätzt).