Das Rumhantieren mit Papier und Bleistift finde ich ebenfalls unmöglich. Ich mappe auch viel mit dem Fahrrad und finde es inakzeptabel, ständig anzuhalten, um etwas aufzuschreiben. Meine Lösung ist eine Kombination aus Video, Audio und Wegpunkten am GPS-Gerät. Die folgende Beschreibung liest sich zugegebenermaßen etwas überdreht, aber wenn nicht allzu viele Details aufgezeichnet werden sollen, reicht sicher auch ein reines Audiomapping. Mein Aufbau für waschechte OSM-Nerds sieht so aus:
Direkt auf dem Lenker habe ich einen kleinen Logger, den iBlue 747A+ (http://www.kowoma.de/gps/geraetetests/iblue%20747A+/iblue747A+.html). Das Gerät ist etwa so groß wie eine Streichholzschachtel. Für das Mappen mit Fahrrad ist ideal, dass man durch simples Drücken des einzigen Knopfes auf der Oberseite einen Wegpunkt setzen kann; die Wegpunkte werden einfach durchnummeriert. Der Logger ist mit einem Gummiband so angebracht, dass er unmittelbar neben meiner linken Hand liegt und ich mit Daumen oder Zeigefinger den Knopf drücken kann, ohne den Lenker loszulassen.
Für die Audioaufzeichnung habe ich ein kleines Diktiergerät im Hemd oder am Gürtel. Stattdessen eignet sich natürlich auch ein MP3-Player mit Aufzeichnungsfunktion, ein Telefon o.ä. Daran ist via Kabel ein externes Mikrophon angeschlossen, das ich am Kinngurt meines Fahrradhelms befestigt habe. Obwohl das Mikrophon unter dem Kinn liegt, sind Lautstärke und Qualität so gut, dass es genügt, leise vor sich hinzumurmeln, um eine einwandfrei verständliche Audiospur zu bekommen. Wie schon einige andere in diesem Thread hatte ich vorher Bedenken wegen der Neben- und Windgeräusche, aber ernsthafte Probleme ergeben sich nur bei mehr als ca. 35 km/h. In solchen Fällen reicht es, etwas lauter zu sprechen.
Das Diktiergerät läuft kontinuierlich, ich muss also keine Knöpfe drücken, um etwas aufzuzeichnen. Ich schalte es einfach ein, bevor ich losfahre.
Bleibt noch das Video. Wegen der Akkulaufzeiten und der Größe habe ich mich gegen einen Camcorder entschieden. Stattdessen verwende ich eine Webcam, die an ein Netbook angeschlossen ist. Die Webcam ist vorne am Lenker befestigt, das Netbook liegt in einem Korb auf dem Gepäckträger.
Die Kamera ist eine Logitech Pro 9000 (http://www.logitech.com/en-us/webcam_communications/webcams/devices/6333), bei der ich den Haltebügel entfernt habe (hier beschrieben: http://ghonis2.ho8.com/Pro9000mod.html, aber nur bis Schritt 4). Das Gehäuse habe ich nochmal in Plastikfolie verpackt, mit einem Guckloch für das Objektiv, und mit 2 Gummibändern an der Vorderseite des Lenkers befestigt. Das hält einwandfrei auch bei starkem Gerüttel.
Das Netbook liegt in einem üblichen Einkaufskorb, der auf dem Gepäckträger befestigt ist. Im Korb ist der Computer mit einem Klettband fixiert, etwas Schaumstoff sorgt dafür, dass nichts beschädigt wird.
Die Videoaufzeichnung läuft konstant, ich schalte sie ebenfalls ein, bevor ich losfahre. Die Kamera liefert in der höchsten Auflösung von 1600x1200 Pixeln immerhin 5 Bilder/s, die ich ohne weitere Verarbeitung direkt in eine Datei schreiben lasse. Bei geringerer Auflösung sind höhere Bildraten erreichbar, aber fürs Mappen ist hohe Auflösung wichtiger als ein flüssiger Film.
Hier ein paar Beispiele, wie die aufgezeichneten Bilder aussehen:
http://www.imagebanana.com/view/egjy3f2d/Screenshot1.png
http://www.imagebanana.com/view/ty7tds/Screenshot2.png
http://www.imagebanana.com/view/byk2hsw8/Screenshot3.png
Deutlich schlechter, praktisch unbenutzbar, werden die Bilder in fortgeschrittener Dämmerung. Dann wird die Bewegungsunschärfe, die schon bei heller Umgebung ein Problem ist, so schlimm, dass man auf den Bildern nichts mehr erkennt.
Weil die Webcam recht klein ist und sich am Lenker in das Kabelgewirr von Schaltungs- und Bremszügen einfügt, das Mikrophon praktisch unsichtbar am Kinngurt des Fahradhelms klebt und der Computer unten im Gepäckträgerkorb vor sich hinrechnet, sieht der normale Passant eigentlich nichts, was ihn in fassungsloses Staunen versetzt oder veranlasst, die Antiterroreinheit zu rufen. Ich bin hier in ländlichem Gebiet unterwegs und da ist es für mich ein wichtiger Faktor, nicht allzu sehr aufzufallen (natürlich tue ich nichts verbotenes, aber ich habe keine Lust, ständig zu erklären, was ich da mache).
Das Mappen läuft dann so: Wenn ich an einen POI komme, sich etwas an der Straße ändert oder dergleichen, setze ich einen Wegpunkt auf dem Logger und spreche bei Bedarf etwas ins Mikrofon (“Hausnummer 42”, “Ab hier Tempo 30” usw.) Straßennamen buchstabiere ich gewöhnlich ins Mikrofon, da die Schilder im Video nicht immer einwandfrei zu lesen sind.
Zuhause hole ich Video und Audio auf meinen Hauptrechner und muxe sie anhand einer Markierung zusammen, die ich vor dem Losfahren aufgenommen habe. Dazu muss ich kurz in der Video- und Audioaufzeichnung nachsehen, nach wie vielen Sekunden die Markierung kommt; diese Werte übergebe ich an ein kleines Skript, das den Mux-Vorgang erledigt (für die Experten: simpler mencoder-Aufruf). Das Ergebnis ist eine vertonte Videodatei.
Eine Methode, diese Videodatei direkt mit Wegpunkten in JOSM zu synchronisieren, habe ich nicht. Das ist aber kein allzu großes Hindernis, da es recht einfach ist, im Videoplayer vorzuspulen. Wenn die Mappingfahrt nicht allzu lang her ist, hat man den Grobverlauf der Strecke im Allgemeinen noch recht gut im Kopf. Meist spule ich mit dem Mausrad vorwärts, bis ich die Stelle sehe, an der ich einen Wegpunkt gesetzt habe. Im Notfall ist es natürlich auch möglich, den Zeitstempel eines Wegpunkts von Hand im Videoplayer zu suchen.
Klasse wäre natürlich ein Modul, mit dem man den Videoplayer automatisch mit Wegpunkten in JOSM synchronisieren könnte.
Entgegen der Skepsis, die hier einige andere geäußert haben, finde ich das Video aber sehr nützlich, selbst ohne automatische Synchronisierung oder Einzelbildextraktion, und obwohl man die Schrift auf Schildern nicht immer erkennen kann.
Es ist nämlich verdammt nützlich, das Video schnell durchzuspulen und sich anzusehen, ob bei bereits eingetragenen Wegen die Angaben zu Straßenbelag u.ä. stimmen. Beim späteren Eintragen der Daten in JOSM tauchen praktisch immer Fragen auf, die ein kurzer Blick in das Video klärt, für die ich aber ohne dieses Hilfsmittel noch einmal an der Stelle vorbeifahren müsste.
Zum Beispiel habe ich mich anfangs nicht um Strommasten und -leitungen gekümmert und daher auch keine entsprechenden Informationen im Diktiergerät aufgezeichnet. Nachdem ich doch damit angefangen hatte, die Leitungen einzutragen, konnte ich anhand des Videos die Position einiger wichtiger Masten nachträglich feststellen. Ähnlich ging es mir bei Bushaltestellen. Und immer wieder sehe ich hinterher Details, die mir unterwegs einfach entgangen sind.
Die größten Nachteile des Aufbaus sind:
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Regen: Webcam und Computer sind nicht wasserdicht verpackt, beim Computer wäre das auch schwierig, da er ja etwas Kühlluft braucht. Ich ziehe deshalb nur bei Sonne los. Für den Notfall habe ich eine Plastiktüte mit; wenn es regnet, muss ich die Aufnahme abbrechen und den Computer einwickeln.
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Betriebszeit: Der limitierende Faktor ist der Akku des Netbooks (Diktiergerät und Logger laufen viel länger). Er schafft gut 6 Stunden, was für meine Zwecke mehr als ausreichend ist. Wenn ich meinen Bierbauch so lange die verdammten Allgäuer Hügel hochgehievt habe, langt es mir auch.
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Privatsphäre: Wenn man unterwegs mit jemandem redet, wird das Gespräch heimlich aufgezeichnet. Das ist nicht mehr in Ordnung, daher sollte eine Möglichkeit bestehen, das Mikrofon stummzuschalten (ohne die Aufzeichnung abzubrechen, sonst geht die Zeitsynchronisierung mit dem Video verloren).
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Zeit für Nachbearbeitung: Das wurde ja auch schon in diesem Thread angemerkt. Man sitzt unter Umständen verdammt lange vor dem Computer, um die Ergebnisse einer Mappingfahrt einzutragen. Wenn ich ein innerstädtisches Gebiet erfasse und dabei viele Details aufnehme (Straßennamen, Hausnummern, Briefkästen, Bushaltestellen, Geschäfte, bis zum berühmten Hundekotbeutelspender), editiere ich manchmal 4 Stunden in JOSM pro Stunde Mappingfahrt. Wenn du hauptsächlich in ländlichen Gebieten unterwegs bist und vor allem Straßen mit ihren wichtigsten Eigenschaften einträgst, ist das natürlich viel schneller erledigt.
Für den unwahrscheinlichen Fall, dass jemand bis hier gelesen hat und sich für genauere Details der Videoaufzeichnung interessiert: Der Netbook (Samsung NC10) läuft unter Ubuntu (Netbook Remix) und hat eine SSD bekommen, damit auch bei Schotterstrecken keine Gefahr für die Festplatte besteht. Weil der Atom-Prozessor recht schwachbrüstig ist und den Akku schnell leert, wenn man ihn mit anspruchsvollen Rechenaufgaben belastet, übertrage ich die Daten mit ffmpeg direkt von der Kamera in eine Datei. Die Daten liegen dann im MJPEG-Format vor, das zwar riesige Dateien produziert, aber bei der Aufzeichnung den Prozessor nicht belastet. Andere Aufzeichnungsprogramme, die ich ausprobiert habe, waren cheese, motion und fswebcam; sie alle verursachen aber eine höhere Prozessorlast, was wie beschrieben die Akkulaufzeit empfindlich verkürzt.
Da ohnehin ein Computer mitläuft, wäre es für die Zukunft denkbar, einige Features nachzurüsten. So könnte man etwa den GPS-Track direkt im Netbook aufzeichnen (via Bluetooth vom Logger) und Wegpunkte nicht nur im GPS-Track, sondern synchron dazu gleich im Video zu setzen. Dann könnte man die entsprechenden Stellen später im Videoplayer direkt anspringen.
Außerdem ist es natürlich möglich, das Audio ebenfalls gleich im Computer aufzuzeichnen. Dann entfällt der Aufwand für das Synchronisieren und Muxen.