Hi,
ich wollte dies erst im Thread “Wiki und Radweg” schreiben, finde aber, es passt da nicht rein.
Das gesamte bicycle-Mapping geht langsam kontaproduktive Wege. Nicht nur die im Wiki oft aufgeführten Alternativen erschweren die Wahl des geeigneten Taggings für den Mapper, sondern auch die Auswertung durch Renderer/Routingprogramme wegen der Vielzahl an vorgefundenen Situationen, die jeder Mapper natürlich subjektiv interpretiert und dann umzusetzen versucht. Das Thema wird inzwischen komplex genug, um nicht mehr von allen Mappern verstanden zu werden, die eigentlich nur die Realität abbilden wollen, aber nicht aus dem Blickwinkel von Auswertung/Rendern/Routing schauen müssen oder sollen. Das Ergebnis sind absurde Bedingungen, die z.B. doppeltes Rendern und/oder unvernünftiges Routing erzeugen.
Ein Beispiel, welches mich derzeit beschäftigt und bei dem ich zu keinem Schluss komme:
Taggingpraxis an Straßen mit Radfahrstreifen in längst nicht allen Kombinationen…
cycleway=left/right/both/forward/backward/lane/track/shared_lane/no/none
gleiches ab Value “lane” für cycleway:left/:right/:both/:forward/:backward
Soweit kein Problem. Aber: Parallel zu vielen derartig getaggten Straßen sind die Radwege zusätzlich als separater Weg eingezeichnet. Das Wiki indes empfiehlt, obige Tags für etwaige Auswertung an der Straße zu belassen. Das führt nun dazu, dass “Visuell-Renderer” einen parallelen Weg neben die Straße zaubern können UND den separaten Weg, der ja so eigentlich nicht vorhanden ist, ebenfalls zeichnen.
Routingprogramme dagegen können diese Tags ignorieren und wahlweise den separat gemappten Weg, falls vorhanden, oder eben die Straße (Radfahrspur erkennt man vor Ort) nutzen. Aber jetzt kommt’s: In Verbindung mit “bicycle=use_sidepath” wird es schwierig bis unmöglich, diese Tags sinnvoll auszuwerten, weil unzuverlässig bzw. aufgrund ständig aufgeführter Alternativen unterschiedlich gehandhabt. Wo das Tag gefunden wird, wird ein “Routing-Renderer” versuchen, das Fahrrad von der Straße zu verbannen. Er weiß aber bei der Auswertung des Elements “Straße” nicht, ob ein zusätzlicher Weg eingezeichnet ist. Also muss er das gesamte Sammelsurium obiger Tag-Kombinationen einbeziehen um das Verbannen zu vermeiden - er muss ja davon ausgehen, dass eben kein separater Weg existiert und meist ist das wirklich der Fall. Die Konsequenz: Entweder werden separat eingezeichnete/straßenbegleitende Wege genau wie vor Einführung bzw. bei Vorhandensein von “bicycle=use_sidepath” kaum genutzt - oder - wenn alleinige Auswertung von “bicycle=use_sidepath” stattfindet UND kein separat eingezeichneter Weg existiert, die Straße gemieden und weiträumig umfahren. An ausgesuchten Stellen funktioniert das Prinzip wunderbar, was aber nicht alle jetzt vorhandenen und zukünftigen Fälle einschließen kann. (Vorgefunden habe ich auch schon bicycle=use_sidepath mit footway=sidewalk ohne zusätzlichem Weg, ohne cycleway-Tag und ohne Hinweis, dass Radfahrer auf dem Bürgersteig fahren dürfen/müssen, was wegen der Kombination allerdings wahrscheinlich, aber nicht sicher ist.)
Noch schwieriger wird die Auswertung, wenn eine Spur mit und gegen die Einbahnstraße zugleich verläuft. Und zwar dann, wenn eine Straße mit zwei separaten gegenläufigen Einbahnspuren gemappt ist, auf der ein Radweg für beide Richtungen aber nur auf einer Straßenseite vorhanden ist, auch hier mit oder ohne separat eingezeichnetem Weg (ohne oneway-Attribut). Da gibt es Fälle, welche die Router nicht abdecken können (so auch mkgmaps Option --make-opposite-cycleways), da manch Variante nicht zentral im Wiki, sondern auf einer zufällig gefundenen Unterseite “angeboten” wird. In Verbindung mit “bicycle=use_sidepath” an beiden Straßensuren und trotz obiger Tags an der Seite mit der Radfahrspur führt das Beispiel zur kompletten Vermeidung in eine Richtung.
Alles in allem: Die Sammlung möglichst vieler Informationen ist zwar eine feine Sache, deren Implementierung aber sollte nicht dazu führen, dass mitunter notwendige logische Kombinationen zum Ausschluss führen oder wirkungslos sind. Weniger ist manchmal eben mehr. Grundlegende (sparsam aber konsequent eingesetzte) Tags sollten in erster Linie allgemeingültig, weiterführende Tags dagegen ohne Einschränkungen ignorierbar sein. Das ist bei den meisten OSM-Elementen der Fall, aber inzwischen eben nicht mehr beim Fahrradrouting. Jede Einführung weiterer Tags, welche beispielsweise einen Zusammenhang von Straße und separatem Weg beschreiben könnten, würde eher eine Verschlimmbesserung darstellen - wahrscheinlich unzuverlässig eingesetzt und ohne Konsens (es gibt ja schon Unterschiede wegen bicycle=yes/designated/official an einfachen Elementen wie highway=cycleway/footway/path).
Viele Grüße
Mario