OSM bietet eine Reihe von Tags um die wirtschaftliche Aktivität (von Geschäften, Banken, Versicherungen, dem Handel, dem produzierenden Gewerbe, der Agrarwirtschaft, der Erziehung, …) zu bezeichnen, als da wären
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shop=*
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office=*
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craft=*
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amenity=* (nicht alle, aber z.B. bank, cinema, museum, restaurant)
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tourism=* (nicht alle, aber z.B. hostel, hotel, motel, guest_house)
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healthcare=* und, wenn man will, auch noch
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power=generator mit generator=*
Hoffentlich habe ich nichts (wesentliches) vergessen. Trotz dieser Fülle an Tags und Tagging-Schemata fehlt noch eine ganze Menge. Die Frage, wie man den Rest in OSM Taggen kann, tauchte gelegentlich schon in diesem Forum auf, z.B. hier. Leider wurde das Ganze nie ausführlich diskutiert und mündete auch nicht in ein Proposal – zumindest ist mir da nichts bekannt.
Ich wäre bereit ein entsprechendes Proposal zu verfassen, möchte das ganze allerdings hier vorab diskutieren, damit es schon einen gewissen Konsens gibt, wenigstens in einer kleinen Runde. Das Thema ist auch nicht so einfach, insbesondere fehlen meiner Meinung nach noch ein paar Ideen.
Es geht also darum, wirtschaftliche Aktivitäten zu bezeichnen, was in OSM z.B. mit amenity=bank, shop=supermarket oder tourism=hotel gemacht wird. Dazu gibt es verschiedene Standards, z.B.
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ISIC – International Standard Industrial Classification of all Economic Activities – nutzt vier Ziffern – ist internationaler Standard
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NACE – Nomenclature statistique des activités économiques dans la Communauté européenne – basiert auf ISIC, i.e. ist fast mit diesem identisch – nutzt vier Ziffern – ist vorgeschriebener Standard für die Europäische Union, wird auch in Norwegen, der Schweiz und zehn weiteren Ländern genutzt
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UKSIC – United Kingdom Standard Industrial Classification of Economic Activities – UK
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WZ2008 – Klassifikation der Wirtschaftszweige – Deutschland
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NOGA – Nomenclature Générale des Activités économiques – Schweiz
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ÖNACE – Wirtschaftlichen Aktivitätsklassifikation ÖNACE 2008 – Östereich
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NAICS – North American Industry Classification System – orientiert sich an ISIC – genutzt in Canada, Mexiko und den USA – nutzt fünf Ziffern in allen drei Ländern, die länderspezifisch durch eine weitere Ziffer unterteilt sind.
um nur ein paar aufzulisten. UKSIC, WZ2008, NOGA und ÖNACE nutzen fünf Ziffern basierend auf NACE, i.e. die ersten vier Ziffern stimmen mit NACE überein, gemäß EU-Verordnung 1893 (2006).
Die Standards sind hierarchisch aufgebaut, eine Klasse besteht aus
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Abschnitt
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Abteilung
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Gruppe
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Klasse
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Unterlasse
ISIC und NACE haben keine Unterklassen. Da die Klassen aber nicht fein genug sind, haben viele Länder noch eine Unterklasse eingeführt, um eine hinreichende Aussagekraft zu erhalten. Hier unterscheiden sich die verschiedenen Länder, was u.a. auch die Berücksichtigung nationaler Besonderheiten erlaubt.
Beispiel: Eine Bank, in OSM als amenity=bank bezeichnet. Dazu gebören der ISIC Code 6419 und der NACE Code 64.19 im Abschnitt K:
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Abschnitt K: Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen
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Abteilung 64: Erbringung von Finanzdienstleistungen
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Gruppe 641: Zentralbanken und Kreditinstitute
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Klasse 6419: Kreditinstitute (ohne Spezialkreditinstitute)
Deutschland macht im WZ2008 daraus folgende Unterklassen:
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64.19 Kreditinstitute (ohne Spezialkreditinstitute)
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64.19.1 Kreditbanken einschließlich Zweigstellen ausländischer Banken
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64.19.2 Kreditinstitute des Sparkassensektors
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64.19.3 Kreditinstitute des Genossenschaftssektors
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64.19.4 Realkreditinstitute
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64.19.5 Kreditinstitute mit Sonderaufgaben
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64.19.6 Bausparkassen
Andere Länder haben mehr oder weniger feine Gliederungen, wobei auch nationale Besonderheiten zum Ausdruck kommen. Fazit: ISIC und NACE wären in diesem Beispiel gleich fein wie OSM, mit nationalen Erweiterungen wäre man feiner als OSM.
Es gibt aber auch Fälle, wo OSM bereits feiner ist, selbst als nationale Erweiterungen.
Beispiel: ISIC 4759, NACE 47.59 – Einzelhandel mit Möbeln, Einrichtungsgegenständen und sonstigem Hausrat. OSM hat da schon die folgenden Unterscheidungen zum shop: bathroom_furnishing, furniture, bed.
Was soll bzw. kann man nun daraus machen?
ISIC oder NACE sind meiner Meinung nach eine sehr gute Grundlage für eine Klassifizierung. Es gibt eine sehr genaue Beschreibung der Klassen, die bei ISIC in sechs und bei NACE in 26 Sprachen erhältlich ist. Diese Klassen sind zum einen allerdings zu grob (sie sollten ja keine nationalen Besonderheiten haben) und sie erlauben keine nationalen Besonderheiten :).
Man könnte also verschiedene Klassifikationen zulassen, z.B. mit folgendem Schema: industrial_activity:ISIC4=6419, industrial_activity:NACE2=64.19 oder industrial_activity:WZ2008=64.19.2, … Dann könnte man auch nationale Besonderheiten berücksichtigen. ISIC4 bedeutet ISIC Rev. 4, NACE2 bedeutet NACE Rev. 2, etc.
Ein weiterer Vorteil dieser Klassifizierung ist die Hierarchie: Wenn man bei einem Kreditinstitut nicht genau weiß, zu welcher Klasse es gehört, kann man eine höhere Ebene wählen, z.B. nur die Gruppe oder die Abteilung. Ein bischen (korrekte) Information ist immer noch besser, als keine.
Man müßte diese Klassifikation bis auf weiteres nur dort verwenden, wo OSM noch keine Auszeichnungsmöglichkeit bietet. Es scheint mir kurz- und mittelfristig vergebliche Liebesmühe, das bestehende Schema zu ersetzen. Man sollte allerdings darauf achten, neben shop, office, craft u.a. keinen weiteren speziellen Schlüssel einzuführen. Altes und neues Schema könnten (und würden zunächst) parallel existieren.
Sollten die Standards nicht genau genug sein, könnte man eine feinere Struktur über eine OSM-Unterklasse definieren, z.B. der Art (siehe oben)
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47.59.1 bathroom_furnishing
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47.59.2 furniture
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47.59.3 bed
Bleibt noch ein letzter Punkt: Ein Unternehmen kann wirtschaftliche Aktivitäten mehrerer Klassen entfalten, man kommt also wieder auf das Problem zurück, einem Schlüssel mehrere Werte zuordnen zu müssen. Nur ein Beispiel, eine Schreinerei hier um die Ecke hat
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46.47 – Großhandel mit Möbeln, Teppichen, Lampen und Leuchten
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47.59 – Einzelhandel mit Möbeln, Einrichtungsgegenständen und sonstigem Hausrat
So, das ist dann hoffentlich die Einleitung zu einer produktiven Diskussion, die (ebenfalls hoffentlich) in ein gutes Proposal münden kann.